2. WIRTSCHAFTSJURISTINNEN UND -JURISTEN Ungeklärt ist bisher auch die Frage, ob ein Wirtschaftsjurist, Bachelor of Laws (LL.B.), als beratender Betriebswirt i.S.d. § 59c I 1 Nr. 4 BRAO i.V.m. § 1 II PartGG Gesellschafter/Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft sein kann. Ein wirtschaftsjuristisches Studium ermächtigt in Deutschland nicht zur freiberuflichen und entgeltlichen Rechtsberatung. Das Ziel des Studiums ist dennoch eine Tätigkeit als Juristin oder Jurist, die/der neben den juristischen Kenntnissen auch betriebswirtschaftliches Wissen hat. Auch wenn betriebswirtschaftliche Komponenten Bestandteil des Studiums sind, muss eine Abgrenzung der Berufsbilder „Rechtsberatung“ und „Betriebswirtschaftslehre“ erfolgen. Tendenziell gehen daher einige Rechtsanwaltskammern davon aus, dass Wirtschaftsjuristen nicht als beratende Betriebswirte und somit nicht freiberuflich tätig werden können. 3. WISSENSCHAFTLERINNEN UND WISSENSCHAFTLER Problematisch ist immer wieder auch, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Tätigkeit als „Wissenschaftler“ in einer Berufsausübungsgesellschaft als freien Beruf anzuerkennen. Auch bei der Einstufung der Wissenschaftlichkeit kann wieder die Rechtsprechung des BFH herangezogen werden, da die dort ergangene Rechtsprechung zur wissenschaftlichen Tätigkeit zu den sog. Katalogberufen des § 18 EStG bei der Abgrenzung im Einzelfall helfen kann.6 6 Vgl. Jähne, in Weyland, BRAO, 11. Aufl. 2024, PartGG § 1 Rn. 14. So führt der BFH zum Beruf des Wissenschaftlers u.a. folgendes aus:7 7 BFH, Urt. v. 8.10.2008 – VIII R 74/05, BFHE 223, 261. „Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit i.S.v. § 18 I Nr. 1 S. 2 EStG voraus, dass eine hochstehende, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die dazu geeignet ist, schwierige Streit- und Grenzfälle nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen. Die übliche praktische Ausübung eines an sich als wissenschaftlich zu kennzeichnenden Berufs, z.B. als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Arzt, erfüllt dementsprechend nicht ohne weiteres den Begriff auch der wissenschaftlichen Tätigkeit i.S.d. § 18 I Nr. 1 S. 2 EStG. Dies folgt aus der Systematik des Abs.1 Nr. 1 des § 18 EStG. Die ausdrückliche Aufnahme der wissenschaftlich geprägten Berufe in den Katalog der freien Berufe wäre überflüssig, wenn deren Tätigkeit bereits stets aufgrund ihrer Ausbildung als wissenschaftliche Arbeit zu beurteilen wäre. Eine beratende Tätigkeit ist vor allem dann als wissenschaftlich zu qualifizieren, wenn die mit den einzelnen Aufträgen gestellten Aufgaben einen Schwierigkeitsgrad oder eine Gestaltungshöhe erreichen, wie sie wissenschaftliche Prüfungsarbeiten (z.B. Diplomarbeiten) oder wissenschaftliche Veröffentlichungen aufweisen.“ Orientiert man sich an diesen Vorgaben, wird man auch hier nur im Einzelfall entscheiden können, ob die betroffenen Personen zum einen über den nötigen wissenschaftlichen Background verfügen, zum anderen aber auch, ob sie in der Berufsausübungsgesellschaft als Wissenschaftlerin bzw. Wissenschaftler konkret eine entsprechende Tätigkeit ausüben. 4. AUSLÄNDISCHE BERUFE Auch bei ausländischen Berufen stellt sich die Frage, ob diese in einer inländischen Berufsausübungsgesellschaft als Gesellschafter und/oder Geschäftsführer tätig sein können. Der Wortlaut des § 59c I 1 Nr. 4 BRAO unterscheidet nicht zwischen deutschen und ausländischen freien Berufen. Für die Sozietätsfähigkeit nach § 59c I 1 Nr. 4 BRAO spricht zudem dessen Charakter als Auffangtatbestand, der eine gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Personen ermöglicht, die in der Berufsausübungsgesellschaft einen freien Beruf ausüben. Dies bedeutet eine erhebliche Erweiterung gegenüber den bisher geltenden Beschränkungen.8 8 Vgl. BT-Drs. 19/27670, 177. Über § 59c I 1 Nr. 4 BRAO wird man daher beispielsweise die Sozietätsfähigkeit eines britischen Chartered Trade Mark Attorneys in einer inländischen Berufsausübungsgesellschaft bejahen können. Dieser Beruf dürfte zum einen nach den allgemeinen Kriterien (Dienste höherer Art, besondere berufliche Qualifikation, persönliche Diensterbringung, eigenverantwortliche und fachliche unabhängige Diensterbringung) unproblematisch als freier Beruf i.S.d. § 1 II PartGG („und ähnlicher Berufe“) einzuordnen sein. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Verbindung mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insb. seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann, § 59c I 1 Nr. 4 Hs. 2BRAO. Den Gesetzgebungsmaterialien zur großen BRAO-Reform9 9 Vgl. BT-Drs. 19/27670, 177-180. ist auch nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Sozietätsfähig sollen sämtliche freien Berufe sein, welche die Anforderungen des § 1 II 1 PartGG erfüllen. 5. UNTERNEHMENSBERATERINNEN UND -BERATER Unternehmensberaterinnen und -berater üben nicht per se einen freien Beruf aus, auch weil es keine klaren Vorgaben dafür gibt, was eine Person als Unternehmensberater/in qualifiziert. In der Kommentarliteratur zum PartGG wird der Beruf des Unternehmensberaters in der Regel unter den „beratenden Betriebswirt“ subsumiert, zumindest wenn dieser Kenntnisse in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre nachweisen kann.10 10 Henssler, PartGG, 3. Aufl. 2018, § 1 Rn. 173 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2025 91
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