BRAK-Mitteilungen 1/2024

IV. Das Gericht folgt den Angaben des Zeugen F. und ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der angeschuldigte Avocat bis zum 10.8. 2023 mit Ausnahme der Erstellung einer Strafanzeige und der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Anschriftenermittlung keine Tätigkeiten in der Sache unternommen hat, dem Zeugen trotz dessen Aufforderung weder dessen Unterlagen zurückgegeben noch diesen über die wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unterrichtet hat. Die Einlassung des angeschuldigten Avocats war insoweit als Schutzbehauptung zu werten. Die Angaben waren wenig detailreich, ergaben teils keinen Sinn. Weshalb er einen zweiten Gerichtsvollzieher beauftragt haben will, obwohl er nach eigenen Angaben keine Anschrift des Gegners hatte, erschließt sich schon nicht. Auch die – entgegen seiner berufsrechtlichen Verpflichtung und Ankündigung – Nichtvorlage der Handakte an die RAK, die über etwaige Tätigkeiten Auskunft hätte geben können, spricht dafür, dass der angeschuldigte Avocat keine Tätigkeiten entfaltet hat. Auch in der hiesigen Hauptverhandlung konnte der angeschuldigte Avocat die Handakte nicht vorweisen. Das einzige Dokument, das der angeschuldigte Avocat seinem Mandanten übermittelt und auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren vorgelegt hat, ist die eine Seite umfassende Strafanzeige aus dem Dezember 2021, mehr als sechs Jahre nach der Mandatserteilung. Er hat selbst eingeräumt, dass er erst unmittelbar vor der hiesigen Hauptverhandlung, namentlich am 10.8.2023, die Missverständnisse aufgeklärt und somit den Mandanten über die wesentlichen Abläufe unterrichtet hat. V. Zunächst ist die Zuständigkeit der deutschen Andeutsche Anwaltsgerichtsbarkeit zuständig waltsgerichtsbarkeit zu bejahen. Dies ergibt sich einmal aus dem Umstand, dass die Beratung des Zeugen, der seit 50 Jahren in Deutschland lebt, über den deutschen Kanzleisitz erfolgte und er gegenüber der Rechtsschutzversicherung nach deutschem RVG abgerechnet hat. Überdies gilt der Gedanke des Prinzips der doppelten Standesregeln, der vorsieht, dass der Anwalt die ihm obliegenden Berufspflichten des Herkunftsstaates auch die Standesregeln des Aufnahmestaates zu befolgen hat (s. dazuBusse, in Henssler/Prütting, Einl. BRAO Rn. 84 ff.). Nach den getroffenen Feststellungen hat der AngePrinzip des doppelten Berufsrechts schuldigte seinen Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und schuldhaft (vorsätzlich) in einem Fall gegen seine Pflichten verstoßen, indem er dem Mandanten nicht über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unterrichtet, Anfragen des Mandanten nicht unverzüglich beantwortet, das Mandat nicht in angemessener Zeit bearbeitet, dem Mandanten Dokumente, die er aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von diesem erhalten hatte, auf Verlangen nicht herausgegeben hat, sowie in einem anderen Fall schuldhaft (mindestens fahrlässig) gegen seine Pflicht verstoßen hat, während der Dauer seiner Zulassung eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden aufrecht zu erhalten, und sich hierdurch einer beruflichen Pflichtverletzung nach §§ 43, 50, 51 I, 113 I BRAO i.V.m. §§ 675, 667 BGB, § 11 BORA schuldig gemacht. Bei den Zumessungserwägungen im Rahmen des § 114 BRAO ist zu berücksichtigen, in welchem Maße durch die Pflichtverletzung des einzelnen Rechtsanwalts das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Anwaltsstandes betroffen ist und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft geschädigt wurde. Im Anschluss daran ist zu fragen, welche Maßnahme erforderlich ist, um zu erreichen, dass der Rechtsanwalt künftig seinen beruflichen Pflichten nachkommen wird und von ihm keine weiteren Gefahren für das rechtssuchende Publikum und die Rechtspflege mehr ausgehen (AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 2.3.2012 – 2 AGH 21/11, BeckRS 2013, 01051; Henssler/Prütting, 5. Aufl., § 114 BRAO Rn. 5; Reelsen/Weyland, 10. Aufl., § 114 BRAO Rn. 42). Dabei ist es Aufgabe der Anwaltsgerichte, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den sie in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des betroffenen Rechtsanwalts gewonnen haben, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Nach Überzeugung des Gerichts ist die anwaltsgerichtliche Ahndung der festgestellten Pflichtverletzung des angeschuldigten Avocats durch Ausspruch eines Verweises und Verhängung einer Geldbuße i.H.v. 3.000 Euro ausreichend, aber auch erforderlich. Hierbei konnte zugunsten des angeschuldigten Avocats berücksichtigt werden, dass er berufsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und eingeräumt hat, die Deckungslücke in der Berufshaftpflichtversicherung entstehen lassen zu haben. Für den angeschuldigten Avocat spricht weiter, dass er aufgrund der schweren Erkrankung seiner Mutter stark in Anspruch genommen und psychisch belastet gewesen ist und sich in einem Zustand der Überforderung befunden hat. Aufgrund des langen Zeitraums und der Hartnäckigkeit Geldbuße zwingend notwendig der Verletzung anwaltlicher Pflichten – insb. gegenüber dem Zeugen F. – war eine Geldbuße jedoch zwingend notwendig, um dem Angeschuldigten die Beachtlichkeit des Berufsrechtsverstoßes hinreichend vor Augen zu führen, ihn anzuhalten, zukünftig seinen beruflichen Verpflichtungen nachzukommen und weitere Gefahren für das rechtsuchende Publikum und die Rechtspflege abzuwenden. Hierbei musste das Gericht insb. berücksichtigen, dass der angeschuldigte Avocat nicht nur über einen besonders langen Zeitraum untätig blieb, BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 52

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