BRAK-Mitteilungen 6/2023

dat nicht steuerrechtlicher Natur sei, sondern dem Gesellschaftsrecht entspringe, jegliche Auskünfte verweigerte. Der luxemburgische Verwaltungsgerichtshof ersuchte den EuGH um Beantwortung gleich mehrerer Fragen im Wege der Vorabentscheidung: Unter anderem stellt er zur Überprüfung, inwieweit die Rechtsberatung eines Rechtsanwalts im Bereich des Gesellschaftsrechts in den Bereich des von Art. 7 der Charta gewährten verstärkten Schutzes des Schriftwechsels zwischen Rechtsanwalt und Mandant fällt. In ihrer Stellungnahme rückte die BRAK das Urteil des EuGH vom 8.12.2022, Rs. C-694 – Orde van Vlaamse Balies in den Fokus: Der EuGH entschied, dass die Regelung der DAC-6-Richtlinie, nach welcher Anwaltsintermediäre, die aufgrund nationaler Verschwiegenheitsregel von der Meldepflicht befreit sind, andere ggf. vorhandene Intermediäre von der Meldepflicht unterrichten müssen, ungerechtfertigt und unvereinbar mit dem besonderen Schutz anwaltlicher Verschwiegenheit i.S.d. Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 7 der Grundrechtecharta ist.6 6 BRAK-Mitt. 2023, 40 Ls. Mandanten müssen sich ihren Anwälten anvertrauen können, ohne Sorge zu haben, dass Informationen zur Beratung im Wege über die anderen Intermediäre an die Behörden weitergegeben werden. Der Gerichtshof hob damit die Bedeutung des Berufsgeheimnisses hervor und verdeutlicht die „grundlegende Aufgabe“, die der Anwaltschaft in einer demokratischen Gesellschaft zukommt. Diesem Verständnis schloss sich die BRAK in ihrer Stellungnahme umfassend an und unterstrich ihren Stellenwert nicht nur für die deutsche, sondern auch die europäische Anwaltschaft. RICHTLINIENVORSCHLAG DER KOMMISSION ZUR KORRUPTIONSBEKÄMPFUNG Die BRAK hat im September Stellung zum Vorschlag der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der Korruption genommen und hält bereits die Einhaltung von Grundprinzipien wie Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und ultima ratio des Strafrechts für fraglich. Der Richtlinienvorschlag sieht insb. eine Harmonisierung der Definitionen von Straftaten und eine Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionen vor. Ferner soll ein für Korruption sensibleres Umfeld geschaffen und die Bereitstellung entsprechender Ressourcen geregelt werden. Zur wirksamen Bekämpfung von Korruption sollen schließlich Ermittlungsinstrumente der Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden. Die Stellungnahme befasst sich zunächst ausführlich mit der Gesetzgebungskompetenz der EU im Bereich des Strafrechts, sowie mit den europarechtlichen Prinzipien der Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und ultima ratio des Strafrechts. Dann werden einzelne Straftatbestände behandelt. Problematisch erscheinen u.a. die Gleichstellung von Mandatsträgern und „nationalen Beamten“ sowie die teilweise Parallelisierung von öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft. Besonders kritisch erscheint der Tatbestand der „Veruntreuung“ aufgrund seiner Unklarheit und Konturlosigkeit. Begrifflichkeiten sind unbestimmt, auf einen Vermögensnachteil als Voraussetzung wird verzichtet und der Versuch soll bereits strafbar sein. Viel zu weit gefasst sind auch die Tatbestände der missbräuchlichen Einflussnahme und des Amtsmissbrauchs. Ferner erscheinen die vorgesehenen Verjährungsfristen unverhältnismäßig und die Regelungen zu den Rechtsfolgen verstoßen gegen den Grundsatz der Kohärenz der nationalen Strafrahmensysteme.7 7 BRAK-Stn.-Nr. 46/2023. EU-MINDESTSTANDARDS IN STRAFVERFAHREN: VERANSTALTUNG VON BRAK UND DAV IN BRÜSSEL Am 19.9.2023 fand in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union die Veranstaltung „Brauchen wir weitere EU-Minimalstandards für Strafverfahren?“ statt, organisiert in Zusammenarbeit von BRAK und DAV, gemeinsam mit der Ständigen Vertretung. Europäische Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger haben in den vergangenen Jahren ein stetiges Bedürfnis für weitere EU-Regelungen identifiziert, angeknüpft wird dabei an die sog. Roadmap zur Stärkung prozessualer Rechte von Beschuldigten und Angeklagten in Strafverfahren aus dem Jahr 2009. Erörtert wurden in drei hochrangig besetzen und von Experten beider Organisationen moderierten Panels sodann folgende Themenschwerpunkte: Unter dem Titel „Standards für die Beweiserhebung“ erörterten Alba Hernand´ez Weiß, LL.M. (Humboldt Universität Berlin), Barrister Oliver Cook (UK/Irland), Birgit Sippel, Mitglied des EU-Parlaments (S&D) und Tania Schröter, stellvertretende Leiterin des Referats Strafprozessrecht in der Generaldirektion Justiz der Kommission unter Leitung von Dr. Anna Oehmichen u.a. die intransparente Beweiserhebung der EncroChat-Fälle im Lichte sich verschlechternder rechtsstaatlicher Standards in der EU. „Standards für effektive Rechtsmittel“ diskutierten Prof. Dr. Robert Esser (Universität Passau), Dr. Sebastian Trautmann, Delegierter Europäischer Staatsanwalt, Prof. Dr. Lorena Bachmaier (Universität Madrid) und Rosa van Zijl (CCBE-Strafrechtsausschuss, ECBA), geleitet von Prof. Dr. Holger Matt (ECBA, Strauda/BRAK). Das letzte Panel widmete sich unter Leitung von Dr. Margarete Gräfin von Galen (Past President des CCBE, DAV-Ausschuss Strafrecht, BRAK-Ausschuss Europa) den Standards für die Untersuchungshaft. Hier thematisierten Prof. Dr. Christine Morgenstern (FU Berlin), Andr´es Ritter, deutscher Europäischer Staatsanwalt und stellvertretender Chefankläger der Europäischen Staatsanwaltschaft, Jesca Beneder, Teamleiterin Europäischer Haftbefehl in der Generaldirektion Justiz und Vaˆnia Costa Ramos (ECBA-Vizepräsidentin, Lissabon) empirische Haftbedingungen, rechtliche Anforderungen und deren Handhabung in der Praxis, gerade auch BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 AUS DER ARBEIT DER BRAK 392

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