BRAK-Mitteilungen 6/2023

kopf lediglich ein einzelner Anwalt ausgewiesen sei, sei nicht sichergestellt, dass dieser die Verantwortung für den Schriftsatz übernehme. Es könnten in der Kanzlei andere Anwältinnen und Anwälte als Angestellte oder als freie Mitarbeiter tätig sein; auch könne der Anwalt sich unter seinem Briefkopf durch eine andere Anwältin oder einen anderen Anwalt vertreten lassen. Ob ein Schriftsatz wirksam eingereicht werde, müsse sich zweifelsfrei aus diesem selbst ergeben. Eine spätere Klärung der Kanzleiverhältnisse sei mit dem Zweck des Signaturerfordernisses nicht vergleichbar. Das OLG widerspricht damit explizit einer Entscheidung des BAG, das bei einem Einzelanwalt die bloße Berufsangabe ohne Namensnennung hatte ausreichen lassen.11 11 BAG, MDR 2023, 111. Mehrere andere Gerichte haben wie das OLG Braunschweig entschieden.12 12 OLG Karlsruhe, MDR 2022, 59; OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.1.2023 – 13 ME 23/ 23. Auch eine Einzelanwältin oder ein Einzelanwalt sollte daher darauf achten, ihren bzw. seinen Namen unter den Schriftsatz zu setzen. (hg) KEINE WEITERGABE DER beA-KARTE; VERSCHULDENSZURECHUNG IM STRAFVERFAHREN 1. Die Überlassung des eigenen Zertifikats des Rechtsanwalts an die Kanzleimitarbeiterin ist nicht zulässig. Nach § 26 I RAVPN darf der Inhaber eines für ihn erzeugten Zertifikates dieses keiner anderen Person überlassen; er hat auch die zugehörige PIN geheim zu halten. 2. Sofern das Anwaltspostfach nicht vom Inhaber selbst genutzt wird und die das Dokument einfach signierende Person nicht mit der des Versenders übereinstimmt, werden die Formerfordernisse nach § 32a III Var. 2, IV 1 Nr. 2 StPO nicht gewahrt. (eigene Ls.) BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23, StraFo 2023, 443 Man kann es nicht oft genug betonen: Die beA-Karte darf nicht aus der Hand gegeben werden! Das LG hatte die Revision als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der Form des § 32d S. 2 StPO, nämlich nur per Telefax, eingelegt worden war. Im Wiedereinsetzungsantrag trug der Prozessbevollmächtigte vor, er arbeite im Home-Office und suche die Kanzlei nur zur Wahrnehmung von Besprechungsterminen auf. Daher habe er die Angestellte gebeten, seine beA-Karte und die PIN in ihrem Schreibtisch zu verwahren; diese wäre daher in der Lage gewesen, den Übermittlungsauftrag auszuführen. Entgegen seiner Anweisung, den Schriftsatz durch Übermittlung im besonderen elektronischen Anwaltspostfach und durch Telefax an das LG zu übersenden, habe sie ihn nur per Fax verschickt. Der 2. Strafsenat des BGH mahnt sehr deutlich, dass die Überlassung des eigenen Zertifikats des Rechtsanwalts an die Kanzleimitarbeiterin nicht zulässig ist. Nach § 26 I RAVPN darf der Inhaber eines für ihn erzeugten Zertifikates dieses keiner anderen Person überlassen; er hat auch die zugehörige PIN geheim zu halten. Wenn der Inhaber des Anwaltspostfachs und die das Dokument einfach signierende Person mit der des Versenders nicht übereinstimmt, ist der Schriftsatz formunwirksam. Das Verschulden des Rechtsanwalts war hier auch im Strafprozess relevant, weil es sich um eine Revision der Nebenklägerin handelte und dieser – anders als einem Angeklagten bei der Verteidigung gegen einen Schuldund Rechtsfolgenausspruch – auch das Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters zuzurechnen war. Eine Verschuldenszurechnung erfolgte auch in folgendem strafrechtlichen Fall: Bei einer Dritteinziehung nach § 73b StGB ist dem Einziehungsbeteiligten im Rahmen einer Wiedereinsetzung entsprechend dem allgemeinen Grundsatz des § 85 II ZPO ein Verschulden seines anwaltlichen Vertreters zuzurechnen. BGH, Beschl. v. 4.7.2023 – 5 StR 145/23, NJW 2023, 3304 Hier lag das Verschulden des Prozessbevollmächtigten darin, dass die Eingangsbestätigung des Gerichts nicht entsprechend den Anforderungen überprüft worden war. Im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ muss als Meldetext „request executed“ (neuerdings: „Auftrag ausgeführt“) und als Übermittlungsstatus „erfolgreich“ angezeigt werden, worauf der BGH13 13 BGH, NJW 2023, 2433; zuletzt BGH, Beschl. v. 6.9.2023 – IV ZB 4/23. schon mehrfach hingewiesen hat. Problematisch wird es, wenn der Rechtsanwalt eine Doppelrolle als Angeklagter und gleichzeitig als sein eigener Verteidiger einnimmt: Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Revisionsschrift und der Revisionsbegründungsschrift (§ 32d S. 2 StPO) gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist. OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2023 – III-4 ORs 62/23, NJW 2023, 2657 Der Angeklagte (und Rechtsanwalt) hatte seine Revision gegen ein Urteil wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis lediglich per Fax übermittelt bzw. im Briefkasten des AG hinterlegt. Das sah das OLG Hamm als formunwirksam an: Der Begriff „Rechtsanwälte“ in § 32d StPO sei insoweit statusrechtlich zu verstehen mit der Folge, dass eine Pflicht zur Nutzung des beA bestand. Das hat der BGH zwischenzeitlich auch im Hinblick auf anwaltliche Berufsbetreuer,14 14 BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 428/22. Verfahrenspfleger15 15 BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22. und Insolvenzverwalter16 16 BGH, NJW 2023, 525. festgestellt. In seiner Rolle als Angeklagter steht dieser nun schlechter da, als wenn ein anderer Strafverteidiger die Revision formunwirksam eingelegt hätte, denn dessen VerBRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 AUFSÄTZE 384

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