BRAK-Mitteilungen 6/2023

wiederum diese Kosten sicher auch nicht übernehmen wird. (bc) VERZUGSSCHADEN BEI NICHT BEANTWORTETEM ZAHLUNGSERSUCHEN DURCH DEN RECHTSSCHUTZVERSICHERER 1. Mit dem Anspruch auf Auskehrung der von dem Prozessgegner geleisteten Zahlungen gem. §§ 675 I, 667 BGB geht ein Auskunftsanspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt aus § 666 BGB einher. 2. Zur Ermittlung des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB hat der Mandant einen Auskunftsanspruch gegen seinen Rechtsanwalt, der durch Zahlung der Vorschüsse auf die Rechtschutzversicherung übergeht. 3. Der Rechtsanwalt begeht eine Pflichtverletzung, wenn er auf den fälligen, wirksamen und durchsetzbaren Auskunftsanspruch gem. §§ 675, 666 BGB keine Auskunft erteilt, obwohl das unschwer möglich gewesen wäre. 4. Es liegt auch dann eine wirksame Mahnung vor, wenn der Gläubiger zwar vom Schuldner zu viel fordert (Zuvielmahnung), der Schuldner die Aufforderung jedoch nach Treu und Glauben und den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der vom Schuldner geschuldeten Minderleistung bereit ist (im vorliegenden Fall: Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs, obwohl zum damaligen Zeitpunkt lediglich ein Auskunftsanspruch bestand). LG Offenburg, Beschl. v. 21.7.2023 – 2 S 1/23 Die Rechtsschutzversicherung – Klägerin in diesem Verfahren – hatte Anwalts- und Gerichtskostenvorschüsse an die Prozessvertreter des Versicherungsnehmers gezahlt. Nach einem Vergleich ergaben sich Kostenerstattungsansprüche, über die die beklagte Kanzlei über einen längeren Zeitraum nicht abrechnete. Zunächst bat die Klägerin mit Schreiben vom 11.5.2020 um Erstattung der verauslagten Kosten. Nachdem sie keine Antwort erhielt, erinnerte sie genau ein Jahr später an die Erledigung. Wieder blieb das Schreiben unbeantwortet, so dass die Rechtsschutzversicherung unter dem 7.7.2021 ein weiteres Schreiben verfasste, in dem darauf hingewiesen wurde, dass bei weiterer Verweigerung der Rückzahlung anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werde, was dann auch nach weiterem Schweigen der Bevollmächtigten geschah. Das AG hatte die Beklagten zur Zahlung der dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten verurteilt; das LG sah für die Berufung keine Erfolgsaussichten und erließ diesen Beschluss gem. § 522 II ZPO. Letztlich konnte dahingestellt bleiben, ob denn der begehrte Erstattungsanspruch zum Zeitpunkt der diversen Mahnungen und Anfragen schon bestand oder mangels Zahlung durch die Gegenseite noch offen war. Jedenfalls bestand nach den Ausführungen der Kammer ein aufschiebend bedingter Erstattungsanspruch des Rechtsschutzversicherers schon mit Zahlung der Vorschüsse und damit einhergehend ein entsprechender Auskunftsanspruch als Hilfsrecht, der ebenfalls auf die Rechtsschutzversicherung als Schadenversicherung gem. § 86 VVG übergegangen war. Eine wirksame Mahnung liege auch dann vor, wenn der Gläubiger zwar vom Schuldner zu viel fordere, der Schuldner jedoch nach Treu und Glauben und den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen die Aufforderung so verstehen muss, dass die tatsächlich geschuldete Leistung verlangt werde. Es sei für die Beklagte unschwer gewesen, die Klägerin über den tatsächlichen Sachstand – bislang unterbliebene Abrechnung der Kosten gegenüber dem Gegner – zu unterrichten. Die Mahnungen führten hier also zum Verzug und zur Verpflichtung, dem Rechtsschutzversicherer unmittelbar die Kosten zu ersetzen, die dieser wegen der Einschaltung einer weiteren Kanzlei zu tragen hatte. Hinzu kommen jetzt natürlich auch noch die Kosten dieses Prozesses, die die Beklagten ersetzen müssen. Durch rechtzeitige Antwort und Aufklärung des Sachverhalts (noch besser: rechtzeitige Abrechnung über die Kosten des Vorprozesses) hätte der gesamte Aufwand ohne Weiteres erspart werden können. Leichtes Kopfschütteln darüber sei dem Verfasser zuzubilligen. (bc) FRISTEN AUCH BEIM beA VOR MITTERNACHT SICHERHEITSZUSCHLAG NÖTIG! 1. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen denen bei der Übersendung von Schriftsätzen bei Telefax. 2. Auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden, der durch eine zeitliche Sicherheitsreserve bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze Rechnung zu tragen ist. BVerwG, Beschl. v. 25.9.2023 – 1 C 10/23 Der Prozessbevollmächtigte hatte den Revisionsbegründungsschriftsatz am Tag des Fristablaufs um 23:53 Uhr per beA versandt. Wegen einer Fehlermeldung löschte er das Dokument aus dem Postausgang und gab es um 23:56 Uhr neu signiert nochmals in den Postausgang. Dieser und weitere Versuche scheiterten; erst um 00:29 Uhr gelang die Übermittlung. Dem Wiedereinsetzungsantrag wurde vom BVerwG nicht stattgegeben, da mit der Übermittlung des Schriftsatzes zu spät begonnen worden sei. Das BVerwG zieht – ebenso wie der BGH8 8 Zuletzt BGH, NJW 2023, 2433 Rn. 19. – die Parallele zu den Anforderungen beim Telefax. Dort sei entschieden, JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 AUFSÄTZE 382

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