BRAK-Mitteilungen 5/2023

§ 206 I und II BRAO angehört. Der Nachweis der Zugehörigkeit zu einem solchen Beruf ist der Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. Er tritt an die Stelle des Nachweises der Befähigung nach § 4 S. 1 BRAO (vgl. Weyland/Nöker, a.a.O. § 207 Rn. 6). Damit ist ein Verzicht auf die Zugehörigkeit zu dem ausländischen Beruf i.S.v. § 206 I und II BRAO nicht vereinbar, und zwar unabhängig davon, ob mit ihm zugleich ein alternatives Konzept zum Schutz der Rechtsuchenden eingerichtet werden soll, wie etwa die vom Kl. für die Aufnahme von Flüchtlingen in die RAK vorgeschlagene Überprüfung durch „einschlägig zugelassene Anwälte nach türkischem Recht“ (Schriftsatz v. 10.10.2022, S. 9). Ein solches Konzept stünde zu dem Wortlaut und der Gesetzessystematik der §§ 206 f. BRAO in Widerspruch. [25] Dies zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung in § 207 I 3 BRAO die Probleme ausländischer Rechtsanwälte in Bezug auf die Vorlage von Bescheinigungen betreffend die Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsberuf erkannt hat, aber dennoch in Bezug auf das Erfordernis der Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsberuf als solches festgehalten hat. [26] c) Eine analoge Anwendung von § 206 I und § 207 I 1 BRAO dergestalt, dass auch solche Personen in die RAK aufzunehmen sind, die zwar nicht dem ausländischen Beruf angehören, aber über die Qualifikation für diesen Beruf verfügen und entsprechende Bescheinigungen vorlegen können, kommt ebenfalls nicht in Betracht. [27] aa) Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das GeAnalogie unzulässig setz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urt. v. 12.9.2022 – AnwZ (Brfg) 41/21, AnwBl. Online 2022, 667 Rn. 64 m.w.N.; BGH, Urt. v. 24.2.2021 – VIII ZR 36/20, NJW 2021, 1942 Rn. 38 m.w.N.). Eine Analogie setzt daher voraus, dass die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen ist (Senat, a.a.O. Rn. 65). Eine Regelungslücke liegt nicht vor, wenn eine gesetzliche Regelung nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließend ist (vgl. BVerfGE 65, 182, 191). [28] bb) Vorliegend fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. [29] (1) Der Gesetzgeber ermöglicht in § 206 I und § 207 I 1 BRAO ausdrücklich und abschließend nur solchen Personen die Aufnahme in die RAK und erlaubt ihnen die Niederlassung zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen, die einem dem Beruf des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in Bezug auf die Ausbildung und die Befugnisse des Berufsträgers entsprechenden ausländischen Beruf angehören, der in der Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz gem. § 206 II BRAO aufgeführt ist. Wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme in die RAK und Kern der gesetzlichen Regelung ist damit – wie durch die jüngst in Kraft getretene Ergänzung von § 207 I BRAO bestätigt wird – die Zugehörigkeit zu dem Beruf, nicht hingegen eine bestimmte fachliche Qualifikation des Antragstellers. Folgerichtig nimmt § 207 III 1 Nr. 1 BRAO von der dort bestimmten Geltung des Zweiten Teils der Bundesrechtsanwaltsordnung für den Antrag auf Aufnahme in die RAK § 4 BRAO aus, der die berufliche Qualifikation als Voraussetzung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft regelt. Nach dem Regelungskonzept der §§ 206 I, 207 I 1 BRAO ist entscheidendes Kriterium mithin die Vergleichbarkeit des ausländischen Berufs mit dem deutschen Anwaltsberuf, nicht hingegen die fachliche Qualifikation. [30] Dies wird auch in § 207 IV 1 BRAO deutlich, der den niedergelassenen ausländischen Rechtsanwalt dazu verpflichtet, die Berufsbezeichnung nach dem Recht des Herkunftsstaates (hier: Avukat) zu führen. Eine solche Verpflichtung ist nur denkbar, wenn der ausländische Antragsteller einem dem deutschen Anwaltsberuf entsprechenden Beruf des Herkunftsstaates auch tatsächlich angehört, nicht hingegen, wenn er lediglich über die fachliche Qualifikation für diesen Beruf verfügt. [31] (2) Die Vollständigkeit des gesetzlichen Regelungsvollständiges Regelungskonzept konzepts ergibt sich zudem daraus, dass der Gesetzgeber für ausländische Personen – etwa für ausländische Rechtsanwälte, die nicht einem der in der Rechtsverordnung nach § 206 II BRAO genannten Berufe angehören – in § 10 I 1 Nr. 3 RDG die Möglichkeit vorsieht, nach entsprechender Registrierung Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht zu erbringen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drs. 16/3655, 65), wovon der Kl. Gebrauch gemacht hat. [32] (3) Eine planwidrige Regelungslücke kann der Kl. schließlich auch nicht aus den § 12 I 2 Nr. 6 StAG zugrundeliegenden Wertungen herleiten. Dort ist bestimmt, dass ein Ausländer, der einen – Flüchtlingen auszustellenden – Reiseausweis nach Art. 28 GFK besitzt, seine alte Staatsangehörigkeit entgegen § 10 I 1 Nr. 4 StAG nicht aufgeben muss, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen. Regelungsgegenstand, -inhalt und -konzept des Staatsangehörigkeitsgesetzes unterscheiden sich wesentlich von denjenigen der Bundesrechtsanwaltsordnung. Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flüchtlinge im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts privilegiert, rechtfertigt daher nicht die Annahme, er habe ihnen auch im Bereich der Erbringung von Rechtsdienstleistungen und des Zugangs zum Beruf des Rechtsanwalts eine privilegierte Stellung zukommen lassen wollen und dies nur übersehen. ZULASSUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 316

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0