BRAK-Mitteilungen 3/2023

schaft ausgeschlossen wird, nur berufsrechtlich gebundene Personen Mitglieder der Gesellschaft werden können und diese zur Tätigkeit in der Gesellschaft verpflichtet werden. Flankiert wird dies dadurch, dass Rechtsanwälte verpflichtend die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte tragen müssen und das Stimmrecht von Gesellschaftern, die ihre Tätigkeit gem. § 59a BRAO a.F. nicht ausüben dürfen, ruht. Hierzu führt die Bekl. ergänzend aus, dass die Tätigkeit von Berufsträgern i.S.v. § 59a I BRAO a.F. nicht mit der Tätigkeit und Interessenlage eines Finanzinvestors vergleichbar sei. Verbunden mit dem Tätigkeitsgebot sollten die besonderen Gefahren, die aus einer rein finanziellen Beteiligung für die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit resultieren, vermieden werden. Grundsätzlich führt die Beschränkung des Gesellschafterkreises zwar dazu, dass Dritte, die diese Kriterien nicht erfüllen, als Gesellschafter auf die Gesellschaft keinen Einfluss nehmen können. Diese Beschränkung genügt aber dem Kohärenzgebot nicht, wenn von Gesellschaftern, die die Anforderungen gem. § 59e BRAO a.F. erfüllen, in gleicher Weise auf die Tätigkeit der Geschäftsführung eingewirkt werden kann. §§ 59a, 59e BRAO a.F. enthalten keine quantitativen Anforderungen an die Verpflichtung zur Mitarbeit der Gesellschafter. Es besteht daher die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter durch seine Beteiligung primär finanzielle Interessen verfolgt und nur in untergeordnetem Umfang an der Verwirklichung der Gesellschaftszwecke mitwirkt. Selbst hinsichtlich der zugelassenen Rechtsanwälte, die Gesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft sind, ist keineswegs sichergestellt, dass diese in nennenswertem Umfang in der Gesellschaft mitarbeiten. Diese können im Rahmen einer überörtlichen Sozietät schwerpunktmäßig auch für andere Kanzleien arbeiten oder auch ihr primäres Einkommen aus anderen Tätigkeiten und/oder Vermögensverwaltung erzielen und die Beteiligung an der Rechtsanwaltsgesellschaft als lohnendes Investment betrachten (vgl. hierzuKilian, AnwBl. 2014, 111). [54] Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtvom EuGH noch ungeklärte Rechtsfragen sprechung des EuGH auch noch nicht geklärt. Dem Urteil des EuGH v. 21.4.2005 – C 140/03, lag der Sachverhalt zugrunde, dass nach griechischem Recht einer juristischen Person, die ein Optikergeschäft betreiben wollte, die hierfür erforderliche Genehmigung nur erteilt werden konnte, wenn ein anerkannter Optiker als natürliche Person zu mindestens 50 % am Gesellschaftskapital beteiligt ist und wenn dieser Optiker höchstens noch an einer weiteren Gesellschaft, die Eigentümerin eines Optikergeschäft ist, beteiligt war. Der EuGH hat in dieser zur Niederlassungsfreiheit ergangenen Entscheidung zwar anerkannt, dass der Schutz der öffentlichen Gesundheit ein zulässiges Ziel ist, durch das die Niederlassungsfreiheit beschränkt werden kann. Die Maßnahmen seien aber nicht verhältnismäßig, da insoweit auch geringere Eingriffe ausreichend gewesen wären, bspw., dass in jedem Optikergeschäft ein diplomierter Optiker als Arbeitnehmer oder als Gesellschafter tätig ist. Strukturell kommen den griechischen Vorschriften über den Betrieb eines Optikergeschäfts durch eine Kapitalgesellschaft die §§ 59a, 59e BRAO a.F. nahe. Diese Vorschriften untersagen allerdings – über das „griechische Modell“ hinausgehend – jegliche Fremdbeteiligung Dritter an einer Rechtsanwaltsgesellschaft. Bereits durch § 59f BRAO a.F. und § 9 der Satzung der Kl. ist gewährleistet, dass für die Rechtsanwaltsgesellschaft nur Rechtsanwälte als Geschäftsführer handeln können. Dies entspricht dem, was der EuGH zur Erreichung des Ziels der Sicherung der Volksgesundheit für erforderlich gehalten hat. Darüber hinausgehend enthalten diese Vorschriften aber auch Regelungen, durch die die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüber den Gesellschaftern sichergestellt wird. §§ 59a, 59e BRAO a.F. enthalten weitergehende Beschränkungen, die den Erwerb von Geschäftsanteilen betreffen. Der EuGH hat die Verhältnismäßigkeit solcher Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit bzw. Niederlassungsfreiheit verneint, wenn sichergestellt werden kann, dass die hohen berufsrechtlichen Standards durch für die Gesellschaft handelnde Personen eingehalten werden, die die entsprechende Qualifikation erworben haben. Dies muss erst recht gelten, wenn zusätzlich institutionelle Vorkehrungen getroffen wurden, die die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit dieser Personen gegenüber der Gesellschaft gewährleisten. Insoweit enthält § 59f BRAO a.F. strikte, die Unabhängigkeit absichernde Verbote für eine Einflussnahme der Gesellschafter, die durch die Ausgestaltung der Satzung verstärkt werden. [55] Auch aus dem ebenfalls die Niederlassungsfreiheit betreffenden Urteil des EuGH v. 19.5.2009 – C 171/07 und 172/07 ergibt sich keine andere Bewertung. Zwar hat der EuGH in dieser Entscheidung die deutsche Regelung gebilligt, nach der der Betrieb einer Apotheke – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ausschließlich Apothekern vorbehalten ist. Der Betrieb einer Apotheke durch eine Kapitalgesellschaft ist danach grundsätzlich ausgeschlossen. Dies hat die Kammer mit den besonderen Gefahren und Bedürfnissen, die mit dem Vertrieb von Arzneimitteln verbunden sind, aber auch mit gesundheitspolitischen Aspekten begründet. [56] Eine vergleichbare Gefahrenlage besteht vorliegend nicht. Der EuGH hat sie insb. aus Risiken für die Verbraucher aufgrund der Möglichkeit eines nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs verschreibungspflichtiger Arzneimittel abgeleitet. Vergleichbare Risiken bestehen bei der Rechtsberatung nicht. Hier hat es vielmehr der durch die Berufsordnung gebundene Vertreter der Rechtsanwaltsgesellschaft in der Hand, das Verfahren im Interesse seines Mandanten bis zu seinem Ende zu führen. Dies entspricht strukturell der Tätigkeit eines Arztes, der ebenfalls die Behandlung bis zum Eintritt des Behandlungserfolges eigenverantwortlich führt, sofern sie der Patient nicht vorher beendet. Ein Bedürfnis, den Betrieb medizinischer Versorgungszentren oder BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 196

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