BRAK-Mitteilungen 3/2023

[2] II. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 II VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e S. 2 BRAO, § 124a V 2 VwGO). Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch ist dem AGH ein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 1 und 5 VwGO). [3] 1. Der Kl. macht geltend, in dem Schreiben des AGH v. 4.5.2022, mit dem der Termin zur mündlichen Verhandlung v. 24.6.2022 auf den 12.8.2022 verlegt worden sei, sei – anders als in dem Ladungsschreiben zum 24.6.2022 – kein Hinweis mehr enthalten gewesen, dass im Falle eines Ausbleibens auch ohne ihn, den Kl., verhandelt und entschieden werden könne. Es sei auch nicht auf den Hinweis in dem früheren Ladungsschreiben Bezug genommen worden, so dass er davon habe ausgehen können, dass er auf jeden Fall die Möglichkeit habe, im Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Es habe daher nicht verhandelt und entschieden werden können. [4] Er sei aus zwingenden Gründen an der Wahrnehmung des Termins v. 12.8.2022 gehindert gewesen, weshalb der Termin habe verlegt werden müssen. Am Morgen dieses Tages habe seine einzige Büroangestellte telefonisch mitgeteilt, sie sei erkrankt und könne nicht zur Arbeit erscheinen. Da wegen des plötzlichen Ausfalls der einzigen Mitarbeiterin die Praxis nicht besetzt gewesen sei, habe er nicht zur Verhandlung am 12.8.2022 erscheinen können. Dies habe er dem AGH telefonisch und mittels Telefax mitgeteilt. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs vor, auf dem die Entscheidung des AGH beruhe. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei ordnungsgemäßer Anhörung eine Entscheidung in seinem Sinne ergangen wäre. Der AGH begründe in seiner Entscheidung v. 12.8.2022 nicht, warum er meine, verhandeln und entscheiden zu können, ohne im Termin rechtliches Gehör zu gewähren. [5] 2. Diese Rügen begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch einen Verfahrensfehler i.S.v. § 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 1 und5VwGO. [6] a) Das gilt zunächst insoweit, als das Umladungsschreiben des AGH v. 4.5.2022 keinen Hinweis gem. § 112c I 1 BRAO, § 102 II VwGO darauf enthielt, dass beim Ausbleiben des Kl. am 12.8.2022 auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden konnte. [7] Nach der Rechtsprechung des Senats kann, wenn ein Hinweis nach § 102 II VwGO fehlt, jedenfalls bei einem nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten der Eindruck entstehen, dass im Falle seines Ausbleibens keine Sachentscheidung zu seinem Nachteil ergehen werde, er sich also auch später noch zur Sache einlassen könne (Senat, Beschl. v. 10.9.2020 – AnwZ (Brfg) 21/20 Rn. 22 m.w.N.). Verhandelt und entscheidet das Gericht trotz Abwesenheit eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten, ohne dass diesem bei der Ladung ein entsprechender Hinweis nach § 102 II VwGO erteilt wurde, stellt dies grundsätzlich einen Verfahrensfehler und eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (Senat, Beschl. v. 10.9.2020 a.a.O. m.w.N.). [8] Es kann dahingestellt bleiben, ob letzteres auch bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten oder – wie hier – einem Beteiligten gilt, der selbst Rechtsanwalt ist (ebenfalls offengelassen in Senat, Beschl. v. 10.9.2020 a.a.O.). Denn jedenfalls unter den hier vorliegenden Umstänkeine Verletzung rechtlichen Gehörs den ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Kl. nicht gegeben. Mit dem – einen ausdrücklichen Hinweis nach § 102 II VwGO nicht enthaltenden – Umladungsschreiben v. 4.5.2022 wurde der bisherige Verhandlungstermin v. 24.6.2022, zu dem mit Schreiben des AGH v. 21.3.2022 geladen worden war, auf den 12.8.2022 verlegt. Das Umladungsschreiben ist daher im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Ladungsschreiben v. 21.3.2022 zu sehen, in dem gem. § 102 II VwGO darauf hingewiesen worden war, dass im Falle eines Ausbleibens der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann. Ob insoweit – wofür einiges spricht – Ladung und Umladung als Einheit zu betrachten sind mit der Folge der Unschädlichkeit eines fehlenden Hinweises nach § 102 II VwGO in der Umladung (so Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl., § 102 Rn. 16), bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls der Kl. als sich selbst vertretender Rechtsanwalt, von dem die Kenntnis der verfahrensrechtlichen Grundzüge zu erwarten ist, musste aufgrund des Hinweises nach § 102 II VwGO in dem (ersten) Ladungsschreiben v. 21.3.2022 davon ausgehen, dass der AGH auch am 12.8.2022 ohne seine Anwesenheit verhandeln und abschließend entscheiden konnte. Ohnehin ist bei einem Rechtsanwalt die Kenntnis der zu den Grundlagen des Verfahrens zählenden Möglichkeit, bei Abwesenheit eines Beteiligten trotz Ladung eine abschließende Entscheidung zu treffen, vorauszusetzen (Senat, Beschl. v. 10.9.2020 a.a.O. Rn. 23). [9] Diese Möglichkeit war dem juristisch geschulten Kl. mit dem Ladungsschreiben v. 21.3.2022 in Erinnerung gerufen worden. Damit war im Verhältnis zu ihm als Rechtsanwalt dem Sinn und Zweck des § 102 II VwGO, nämlich einer Fehlvorstellung eines Beteiligten dahingehend vorzubeugen, dass im Falle seines Ausbleibens jedenfalls keine abschließende Sachentscheidung zu seinem Nachteil ergehen werde, er sich also auch später noch zur Sache einlassen könne, Genüge getan. Dies gilt umso mehr, als der Kl. keine Umstände vorträgt, die im Zeitraum zwischen dem ersten Ladungsschreiben v. 21.3.2022 und dem nur rund sechs Wochen später datierenden Umladungsschreiben v. 4.5.2022 Anlass zu der Annahme hätten geben können, der AGH werde die mündliche Verhandlung nunmehr – entgegen seinem Hinweis in dem Schreiben v. 21.3.2022 – nicht ohne eine Teilnahme des Kl. durchführen und entscheiden. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 183

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0