BRAK-Mitteilungen 3/2023

von einer Schutzwirkung auch zugunsten der Gesellschafterinnen und Gesellschafter ausgehen. Soweit die Tätigkeit des Anwalts jetzt als Sanierungsgeschäftsführer betroffen sei, könne sein Verhalten nicht der Kanzlei zugerechnet werden. Es handele sich nicht um eine anwaltstypische Tätigkeit mit Rechtsbeistandspflichten, sondern um organschaftliche Tätigkeit. Eine haftungsrechtliche Zurechnung über § 31 BGB sei ausschließlich zum vertretenen Unternehmen möglich. Mangels möglicher Zurechnung waren daher die vom Senat als denkbare Haftungsnormen analog herangezogenen §§ 61 bzw. 60 InsO nicht tauglich. Anders ausgedrückt: Hätten die Kläger dieses Gleis weiter befahren wollen, hätten sie schon den Anwalt als Sanierungsgeschäftsführer selbst verklagen müssen – wären aber dann wohl genauso an den anderen aufgezeigten Hürden gescheitert. (bc) HINWEISPFLICHT AUF WERTABHÄNGIGE GEBÜHREN (...) 3. Eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Erteilung des Wertgebührenhinweises gem. § 49b V BRAO führt zwar gem. §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB zur Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts. Der Mandant muss allerdings vortragen und ggf. unter Beweis stellen, wie er auf den allgemeinen Hinweis des Anwalts, dass die Gebühren nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden, reagiert hätte. Es besteht insoweit namentlich keine Vermutung dafür, dass der Mandant bei richtiger Aufklärung das Mandat nicht erteilt hätte. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2022 – I-24 U 109/21, BRAK-Mitt. 2023, 122 Ls. Der Anwalt hatte für mehrere Mandanten gemeinsam eine Kaufpreisforderung aus einem notariellen Kaufvertrag mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung gegen den Käufer geltend gemacht. Anschließend gab es Streit über das Anwaltshonorar. Das OLG wies darauf hin, dass eine anwaltliche Dienstleistung grundsätzlich zu vergüten sei. Somit trage der Anwalt regelmäßig nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass bei Mandatierung über die Frage der Honorierung gesprochen worden sei. Gemäß § 612 I BGB gelte eine Vergütung als stillschweigend vereinbart. Werde keine Vergütungsvereinbarung getroffen, richte sich die Vergütung grundsätzlich nach RVG. Zwar sei der Anwalt nach § 49b V BRAO verpflichtet, den Mandanten vor Übernahme des Mandats darauf hinzuweisen, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Grundsätzlich mache sich der Anwalt bei Verletzung dieser Pflicht schadensersatzpflichtig. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch des Mandanten sei aber, dass dieser vortrage und ggf. unter Beweis stelle, wie er auf den geschuldeten Hinweis des Anwalts, dass die Gebühren nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden, reagiert hätte. Es bestehe keine Vermutung dafür, dass der Mandant bei richtiger Aufklärung das Mandat nicht erteilt hätte. Die Entscheidung steht auf dem Boden der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH.4 4 BGH, NJW 2007, 2332, Anm. von Grams, BRAK-Mitt. 2007, 159; NJW 2019, 1870; ebenso OLG Hamburg, MDR 2007, 1288. (hg) FRISTEN WIEDEREINSETZUNG BEI COMPUTERABSTURZ 1. Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf einen vorübergehenden Funktionsausfall eines Computers gestützt, bedarf es näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung. 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war. BGH, Beschl. v. 1.3.2023 – XII ZB 228/22 Die Beschwerdebegründung war erst um 0:03 Uhr des Tages nach Fristablauf per beA beim OLG eingegangen. Der Verfahrensbevollmächtigte hatte gegen 23:50 Uhr die PDF-Datei mit der Beschwerdebegründung über die Weboberfläche des beA hochladen und an das OLG digital übermitteln wollen. Dabei sei es zu einem nicht mehr nachvollziehbaren Problem mit dem verwendeten Laptop gekommen, sodass die Beschwerdebegründung erst nach Neustart des Computers habe übersandt werden können. Das OLG wie auch der BGH gewährten keine Wiedereinsetzung. Es bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Verschulden treffe. Insbesondere bemängelte das OLG, dass sich der Wiedereinsetzungsantrag nicht dazu verhalte, ob der für den Versand per beA zum Einsatz gekommene Laptop nach dem Vorfall einer technischen Wartung oder Reparatur unterzogen worden sei und ob das Gerät vor dem Vorfall stets einwandfrei funktioniert habe. Auch der BGH hält das fehlende Verschulden nicht für ausreichend glaubhaft gemacht. Ein auf einen vorübergehenden „Computer-Defekt” oder „Computer-Absturz” gestützter Wiedereinsetzungsantrag verlange nähere Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung.5 5 BGH, Beschl. v. 17.5.2004 – II ZB 22/03, NJW 2004, 2525, 2526. Es dürfe nicht die Möglichkeit offenbleiben, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war.6 6 Senatsbeschl. v. 6.4.2011 – XII ZB 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 8 m.w.N. Aus dem (durchaus ausführlichen und die Hinzuziehung eines ITTechnikers schildernden) Vortrag ergebe sich nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Computerdefekt auf einem unvorhersehbaren und nicht vermeidbaren Fehler der verwendeten Hard- oder Software beruhte. Die Entscheidung zeigt – wieder einmal –, dass AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 161

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0