BRAK-Mitteilungen 2/2023

her nicht gelöscht habe. Schließlich erkennt der Leser auch anhand der unter lit. a) zweiter Satz geäußerten Rechtsauffassung des Bekl., dass eine abweichende Entscheidung des LG Stadt1 zum Nachteil des von ihm vertretenen Mandanten bei einer erneuten Befassung nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Allein der Umstand, dass hier der Bekl. in dem Beitrag über ein von ihm selbst als Rechtsanwalt betreutes Verfahren berichtete, rechtfertigt angesichts der aufgezeigten zeitlichen Begrenzung nicht eine etwaige Aktualitätserwartung der Leser, dass sich an dem geschilderten anwaltlichen Erfolg zum Zeitpunkt des jeweiligen Abrufs nichts geändert habe. b) Die im zweiten Satz der Äußerung lit. a) abgegebene Prognose des Bekl. versteht der Leser unter Berücksichtigung des Kontextes nicht als Ankündigung eines zukünftigen tatsächlichen Geschehens, nämlich die Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch das LG Stadt1 für den Fall des Widerspruchs der Kl., sondern als Ergebnis einer rechtlichen Meinungsbildung des Bekl. zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund der bisher vorgenommenen rechtlichen Würdigung durch das Gericht, die nicht mit dem Anspruch auf überprüfbare Richtigkeit ausgestattet ist, zumal der Beitrag auch für den Leser erkennbar macht, dass die Kl. sich in dem Verfahren bislang noch nicht geäußert hatte, mithin ihre Argumente von dem LG Stadt1 noch keine Berücksichtigung finden konnten. Damit hat das LG diesen Äußerungsteil zu Recht als Meinungsäußerung gewertet. Im Streit über die Zulässigkeit dieser MeinungsäußeMeinungsäußerung rung genügt, es, dass der in Anspruch genommene Bekl. tatsächliche Bezugspunkte dargelegt, auf deren Basis er zu seiner Meinung gelangt ist. Dem hat der Bekl. genügt, da er diese erkennbar auf die rechtlichen Erwägungen des LG Stadt1 in seiner Beschlussverfügung zurückführt. Wie die Berufung zu Recht geltend macht, bietet der Beitrag auch keinerlei Anhalt für die Annahme, dass der Bekl. nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, insb. im Lichte des weiteren Verfahrensverlaufs, an dieser Meinungsäußerung festhält. Damit gebührt dem Recht des Bekl. auf freie Meinungsäußerung gegenüber dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Kl. der Vorrang. c) Die unter lit. e) angegriffene Äußerung enthält zunächst eine Tatsachenbehauptung des Inhalts, dass der Bekl. sich wie zitiert geäußert hat. Deren Wahrheit steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Soweit der Bekl. als Verfasser des Beitrags sein eigenes Zitat als Beleg anführt, macht er sich auch den Inhalt des von ihm verbreiteten Zitats zu eigen. Die darin geäußerte Rechtsauffassung, welche ausweislich des vorangehenden Satz ausdrücklich auf die Beschlussverfügung des LG Stadt1 bezogen ist, hat das LG zutreffend als Meinungsäußerung eingeordnet. Der Bekl. hat auch hinreichende objektive Anknüpfungspunkte für diese. Denn der in Bezug genommene Beschluss des LG Stadt1 v. 20.11.2020 (vgl. Anl. K6) ist mit Gründen versehen, die auf die maßgeblichen Vorschriften der DSGVO abstellen und eine Interessenabwägung vornehmen. 2. Das Unterlassungsbegehren der Kl. gegen das öffentlich zugängliche Vorhalten der angegriffenen Äußerungen rechtfertigt sich auch nicht aufgrund der zwischenzeitlich veränderten Sachlage durch die rechtskräftige Aufhebung der berichtsgegenständlichen Beschlussverfügung des LG Stadt1. a) Allerdings wird die Zulässigkeit des weiteren Vorhalweiteres Bereithalten tens eines Berichts durch die ursprüngliche Zulässigkeit einer Veröffentlichung nicht abschließend bestimmt. Auch das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte und Äußerungen kann im Einzelfall unzulässig sein. Das weitere Bereithalten eines zunächst rechtmäßig veröffentlichten Berichts kann Persönlichkeitsrechte dann verletzen, wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt. Im Fall solch nachträglicher Änderungen bedarf es einer erneuten Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsbegehren bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen. Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insb. in Presse-Archiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsbegehrens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen. Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten. Denn in diesem Fall hat die Presse bei der ursprünglichen Veröffentlichung bereits die für sie geltenden Maßgaben beachtet und kann daher im Grundsatz verlangen, sich nicht erneut mit dem Bericht und seinem Gegenstand befassen zu müssen (BVerfG, Beschl. v. 7.7.2020 – 1 BvR 146/17 Rn. 10; BGH, Urt. v. 26.1.2021 – VI ZR 437/19 Rn. 29 m.w.N.]. Bei der abwägenden Berücksichtigung der durch ein weiteres Vorhalten von Presseberichten berührten grundrechtlich geschützten Interessen ist i.S.v. Verhältnismäßigkeit und praktischer Konkordanz auch zu prüfen, ob unter Umständen auch ein klarstellender Nachtrag über den Ausgang rechtlich formalisierter Verfahren wie Disziplinarverfahren, strafrechtlicher Ermittlungs- oder Hauptsacheverfahren den Interessen des von der ursprünglichen Nachricht Betroffenen genügend Rechnung tragen, wenn die Voraussetzungen für einen solchen Nachtrag gegeben sind (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 17). b) Der Senat ist aufgrund einer nach diesen Maßstäben vorgenommen Abwägung der Auffassung, dass die InBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 137

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