BRAK-Mitteilungen 2/2023

zierten elektronischen Signatur versehen oder auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. § 130a IV ZPO) durch die verantwortende Person eingereicht worden. Die von dem Prozessbevollmächtigten des Bekl. stattdessen vorgenommene qualifizierte elektronische Signatur der als PDF-Dokument beigefügten Anlage, die die Abschrift des angefochtenen Urteils enthält, reicht nicht aus. [9] c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde gelSignatur der Anlage unzureichend tend, die qualifizierte elektronische Signatur der Berufungsschrift sei deshalb entbehrlich, weil es sich bei den an das Berufungsgericht über das EGVP übersandten Dateien (Berufungsschrift und Anlage) um eine „gewollte Einheit“ gehandelt habe und sich aus der qualifizierten elektronischen Signatur der Anlage ergebe, dass der Prozessbevollmächtigte des Bekl. die Verantwortung für die Rechtsmittelschrift übernommen habe. [10] aa) Richtig ist allerdings, dass die qualifizierte elektronische Signatur die gleiche Rechtswirkung hat wie eine handschriftliche Unterschrift (Art. 25 II der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. L 257 S. 73; vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2022 – XII ZB 311/21, NJW 2022, 2415 Rn. 9 m.w.N.). Sie soll – ebenso wie die eigene Unterschrift oder die einfache elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512 Rn. 11 m.w.N.; zur Unterschrift vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.1986 – VII ZB 21/85, BGHZ 97, 251, 254; Beschl. v. 15.10. 2019 – VI ZB 22/19, NJW-RR 2020, 309 Rn. 11 m.w.N.). Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. [11] bb) Zutreffend ist auch, dass das Fehlen der Unterschriftsleistung auf der Berufungs- oder Berufungsbegründungsschrift unschädlich ist, wenn aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.1986 – VII ZB 21/85, BGHZ 97, 251, 254; Beschl. v. 15.6.2004 – VI ZB 9/04, VersR 2005, 136, 137; Urt. v. 10.5.2005 – XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2088; Beschl. v. 26.10.2011 – IV ZB 9/11 Rn. 6, 11). Das ist z.B. dann der Fall, wenn die nicht unterzeichnete Berufungsbegründung mit einem von dem Rechtsanwalt unterschriebenen Anschreiben fest verbunden ist („Paket“; vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.1986 – VII ZB 21/85, BGHZ 97, 251, 254 f.), oder wenn die eingereichten beglaubigten Abschriften der nicht unterzeichneten oder nicht eingereichten Urschrift der Berufungsbegründung einen von dem Prozessbevollmächtigten handschriftlich vollzogenen Beglaubigungsvermerk enthalten (vgl. BGH, Beschl. v. 3.5. 1957 – VIII ZB 7/57, BGHZ 24, 179, 180 m.w.N.; Beschl. v. 15.6.2004 – VI ZB 9/04, VersR 2005, 136, 137; Beschl. v. 26.3.2012 – II ZB 23/11, NJW 2012, 1738 Rn. 9). [12] cc) Um einen vergleichbaren Fall handelt es sich hier nicht. Die qualifizierte elektronische Signatur der als Anlage zur Berufungsschrift übersandten Abschrift des angefochtenen Urteils ersetzt nicht die qualifizierte elektronische Signatur der über das EGVP übersandten Berufungsschrift. [13] (1) Die qualifizierte elektronische Signatur der AnUrheberschaft nicht zweifelsfrei lage bietet keine Gewähr dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Bekl. Urheber der Berufungsschrift ist und er diese in den Rechtsverkehr bringen will. Zwar soll mit der Berufungsschrift eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden (§ 519 III ZPO). Die Anlage zu der Berufungsschrift muss aber – anders als diese – nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, und zwar auch dann nicht, wenn sie – wie hier – nicht über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird (§ 130a III 2 ZPO). Anhand der qualifizierten elektronischen Signatur der Anlage lässt sich nicht feststellen, ob die als Absender ausgewiesene Person identisch ist mit derjenigen Person, die für den Inhalt des Schriftsatzes Verantwortung übernimmt, und ob die Berufungsschrift mit deren Wissen und Wollen abgesendet worden ist. [14] (2) Die Anlage und die Berufungsschrift können auch nicht als gewollte Einheit behandelt werden. Zu einer einem „Paket“ aus Anschreiben und Berufungsschrift vergleichbaren Verbindung der im EGVP-Verfahren übermittelten Dokumente kann es nicht kommen. Mehrere elektronische Dokumente dürfen nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden (§ 4 II ERVV). Die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur – die hier ohnehin nicht verwendet worden ist – genügt seit dem 1.1.2018 nicht mehr den Anforderungen des § 130a ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 15.5.2019 – XII ZB 573/18, BGHZ 222, 105 Rn. 14 ff.). [15] 2. Auch hinsichtlich der Versagung der Wiedereinsetzung wegen eines dem Bekl. zurechenbaren Verschuldens seines Prozessbevollmächtigten (§§ 233 S. 1, 85 II ZPO) sind Zulassungsgründe nicht ersichtlich. [16] a) Die Fristversäumung war nicht unverschuldet i.S.v. § 233 S. 1 ZPO, weil der Bekl. sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, der die zu signierenden Dateien verwechselt hat, gem. § 85 II ZPO zurechnen lassen muss. Der Prozessbevollmächtigte muss alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird (vgl. Senat, Beschl. v. 12.5.2022 – V ZB 58/ ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 128

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