BRAK-Mitteilungen 1/2023

7 VR 6/11, BeckRS 2011, 47891; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 14). Solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 I VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für die Ast. schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (st. Rspr., vgl. BVerfGE 46, 166 (180 f.) = NJW 1978, 693; BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011 – 7 VR 6/11, BeckRS 2011 47891). Im Hinblick auf diese Voraussetzungen hat die Ast. bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, insb. nicht, dass ihr bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Es ist bereits nicht erkennbar, welche unwiderruflichen, Abwarten auf Hauptsacheverfahren zumutbar nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile der Ast. streitgegenständlich entstehen würden. Die alleinige Tatsache, dass sich Gerichtsverfahren über mehrere Jahre hinziehen können und ein Kl. ggf. einen längeren Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung abwarten muss, führt jedoch nicht zu einem Anordnungsgrund. Andernfalls wäre ein solcher bei jedem Klageverfahren anzunehmen, was jedoch dem Sinn und Zweck der Regelung zuwiderlaufen würde. Erforderlich ist ein über das allgemeine Interesse an einem zügigen Verfahren hinausgehendes besonderes Dringlichkeitsinteresse. Auch die Tatsache, dass die Veranstaltung bereits vorbei ist und keine konkrete Wiederholungsgefahr auf der Hand liegt, spricht gegen einen Anordnungsgrund. Zudem ist auch zweifelhaft, ob ein Anordnungsanzweifelhaft, ob Anordnungsgrund besteht spruch besteht. Zwar haben RAKn kein allgemein politisches Mandat (Weyland, BRAO, § 73 Rn. 11; Henssler/Prütting, BRAO, § 73 Rn. 26 m.w.N.). Jedoch umfassen die Kammeraufgaben gem. der Generalklausel des § 73 I 1, S. 3 BRAO alle Angelegenheiten, welche von „allgemeiner – nicht nur rein wirtschaftlicher – Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft sind“ (BGH, NJW 2005, 1710 m.w.N.). Hierzu zählt z.B. auch die Finanzierung von Öffentlichkeitsarbeit (Niedersächsischer AGH, Beschl. v. 27.8.1996 – AGH 3/96, BRAK-Mitt. 1996, 208). Bei der Bestimmung des Aufgabenbereichs kommt der RAK auch ein Ermessensspielraum zu (Weyland, BRAO, § 73 Rn. 8). Bei einer summarischen Prüfung ist demnach nicht von überwiegenden Erfolgsaussichten für ein etwaiges Hauptsacheverfahren auszugehen (Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 25). Auch bei einer zumindest offenen Rechtslage sind strenge Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen (Kopp/Schenke, VwGO, § 123, Rn. 26), der somit auch aus diesem Grunde nicht gegeben ist. HINWEISE DER REDAKTION: Ein Aufruf des Präsidenten einer Rechtsanwaltskammer zur Teilnahme an einer Demonstration mit der ausdrücklichen Begründung, dass eine offene, demokratische und freiheitliche Gesellschaft für die anwaltliche Berufsausübung unabdingbar sei, ist gerechtfertigt, weil auch die Anwaltschaft als ein relevanter Teil der demokratisch-rechtsstaatlichen Gesellschaft deutlich machen darf, dass sie die Wichtigkeit dieses Grundverständnisses stützt. Die erforderliche Sachlichkeit wird gewahrt, wenn der Aufruf des Präsidenten lediglich über eine konkrete Veranstaltung informiert und unter Verweis auf die Internetseite der Veranstaltung die Möglichkeit der vertieften Auseinandersetzung für die Mitglieder öffnet (vgl. AGH Berlin, BRAK-Mitt. 2020, 304). ZAHLUNGSANSPRÜCHE NACH STRAFRECHTLICHER VERURTEILUNG StPO §§ 459j V, 459k V 1. Wird ein Rechtsanwalt wegen rechtswidrig einbehaltener Fremdgelder eines Mandanten strafrechtlich verurteilt und unter anderem die Einziehung des Wertes des Tatertrages angeordnet, ist der Mandant nicht gehindert, seine Zahlungsansprüche auch zivilrechtlich zu verfolgen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, zumal es sich auch aus den einschlägigen Regelungen der Strafprozessordnung herleiten lässt. 2. Werden die Ansprüche des Mandanten als Geschädigtem befriedigt, hat das Strafgericht nach § 459g IV StPO den Ausschluss der Vollstreckung anzuordnen. Wie auch § 73e I StGB verfolgt die Regelung des § 459g IV StPO das Ziel, den Einziehungsadressaten vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 25.10.2022 – I-24 U 91/21 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Verwirklicht ein Rechtsanwalt den Tatbestand der Untreue dadurch, dass er pflichtwidrig seinem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, erschöpft sich die Untreue in einem Unterlassen. Wird der Anwalt neben dem bloßen Gelderhalt etwa durch Anfordern des Geldes, Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken oder durch Ableugnen des Zahlungseingangs tätig, kann auf diese Einzelhandlungen abzustellen sein. Das bloße Nichtweiterleiten nach jedem Zahlungseingang führt zur Tatmehrheit, da der Rechtsanwalt verpflichtet ist, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten Sorge zu tragen (vgl. BGH, BRAK-Mitt. 2022, 267). SONSTIGES BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 67

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