BRAK-Mitteilungen 1/2023

gen den Bekl. begründen würde, die nach § 86 I VVG auf den Rechtsschutzversicherer habe übergehen können, ist nicht zu teilen. [13] bb) Ausgangspunkt einer Schadensberechnung ist die sogenannte Differenzhypothese. Hiernach beurteilt sich die Frage, ob und inwieweit ein nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (BGH, Urt. v. 29.6.2022 – XII ZR 6/21, ZIP 2022, 1647 Rn. 13 m.w.N.). Diese Differenzrechnung muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen. Erforderlich ist also eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (BGH, Beschl. v. 8.10.2020 – VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 25; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.11.1979 – V ZR 214/77, BGHZ 75, 366 Rn. 28; v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, WM 2014, 231 Rn. 17; v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19, VersR 2020, 174 Rn. 15; v. 6.7.2021 – VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 20). [14] cc) In der Rechtsschutzversicherung stellt der AnAnspruch auf Kostenbefreiung spruch auf Kostenbefreiung die Hauptleistung des Versicherers dar. Die Kosten der Rechtsverfolgung bilden den Schaden, dessen Deckung der Rechtsschutzversicherer übernommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.6. 2021 – IX ZR 76/20, NJW 2021, 2589 Rn. 10). [15] dd) Entschließt sich der Versicherungsnehmer in Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu einem gerichtlichen Vorgehen, handelt es sich bei den für das Verfahren anfallenden Kosten um seinen Schaden (vgl. BGH, Urt. v. 10.6.2021, a.a.O. Rn. 11). Dies gilt auch dann, wenn – wie das Berufungsgericht annimmt – der Mandant nur einen Auftrag unter der Bedingung einer Deckungszusage erteilt. [16] b) Der Rechtsschutzversicherer hat die Kosten des Rechtsstreits aufgrund der dem Kl. erteilten Deckungszusage getragen. Dass die Deckungszusage in dem Wissen erteilt worden sei, ein Deckungsanspruch bestehe nicht, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2021, a.a.O. Rn. 21 m.w.N.). [17] 2. Die Geltendmachung des Schadensersatzankein Verstoß gegen Treu und Glauben spruchs durch den Rechtsschutzversicherer aus übergegangenem Recht verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Rechtsverfolgung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Rechtsschutzversicherer die Deckungsanfrage des Bekl. geprüft und die zur Begründung des Schadensersatzanspruchs des Kl. geltend gemachte Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können (vgl. BGH, Urt. v. 16.9. 2021 – IX ZR 165/19, NJW 2021, 3324 Rn. 23 m.w.N.). [18] III. Das Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 I, 563 I ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 III ZPO). [19] 1. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Kl. das Abtretungsangebot des Rechtsschutzversicherers angenommen und dieser auf eine Annahmeerklärung des Kl. verzichtet hat. [20] 2. Für die Beurteilung der Frage, ob der Bekl. dem Kl. aus übergegangenem und nachfolgend abgetretenem Recht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist, kommt es darauf an, ob es bei einem pflichtgemäßen Handeln des Bekl. im Ausgangsverfahren zur Durchführung des Klage- und Berufungsverfahrens gekommen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2021, a.a.O. Rn. 24 f. m.w.N.). [21] 3. Eine mandatsbezogene Pflicht, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit nicht zu führen, gibt es als solche nicht. Maßgeblich ist, ob der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten des in Aussicht genommenen Rechtsstreits genügt hat. Für den Inhalt dieser Pflicht ist es ohne Bedeutung, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält oder nicht. Verletzt der Rechtsanwalt die ihm obliegende Beratungspflicht, kommt es darauf an, wie sich der Mandant im Falle pflichtgemäßer Unterweisung verhalten hätte. Erst hier kann von Bedeutung sein, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2021 a.a.O. Rn. 26). [22] a) Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat der Rechtsanwalt dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19, NJW 2021, 3324 Rn. 27 ff. m.w.N.). [23] b) Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Beratung über die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits gilt gleichermaßen sowohl gegenüber SONSTIGES BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 63

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