BRAK-Mitteilungen 1/2023

[16] Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grundlage davon ausgeht, dass der Kl. für die nur einen Tag vor Fristablauf im EGVP eines unzuständigen Gerichts eingehende Rechtsmittelbegründung nicht habe erwarten können, das LG werde den Schriftsatz rechtzeitig an das Berufungsgericht weiterleiten, lässt dies keine Rechtsfehler erkennen. Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen sich für diese Erwägungen des Berufungsgerichts im Einzelfall entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht. HINWEISE DER REDAKTION: Den Versandvorgang zu überprüfen, ist für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unerlässlich. Dazu gehört insb. die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht erteilt worden ist. Bleibt eine Eingangsbestätigung aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und ggf. erneuten Übermittlung veranlassen (vgl. auch BGH, BRAK-Mitt. 2022, 234). PFLICHT ZUR NUTZUNG DES beA FÜR ANWALTLICHEN INSOLVENZVERWALTER ZPO § 130d S. 1; InsO § 4 S. 1 1. Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel im Insolvenzverfahren einlegt. * 2. Entscheidend für die Anwendbarkeit von § 130d S. 1 ZPO zumindest auf Prozesshandlungen des anwaltlichen Insolvenzverwalters spricht über seinen umfassenden Wortlaut hinaus der Zweck der Norm. BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Der als Rechtsanwalt zugelassene weitere Beteiligte wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts v. 10.7.2019 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Mit Schriftsatz v. 3.8.2021 beantragte er die Festsetzung seiner Vergütung auf insgesamt 24.105,31 Euro. Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung am 3.12.2021 auf 9.728,51 Euro fest. Der Beschluss wurde dem Beteiligten am 21.12.2021 zugestellt. [2] Die gegen diese Entscheidung eingereichte Beschwerdeschrift des Beteiligten ist am 4.1.2022 per Fax und im Original beim Insolvenzgericht eingegangen. Auf den Hinweis des Insolvenzgerichts v. 6.1.2022 zu einer obligatorischen elektronischen Einreichung des Schriftsatzes hat der Beteiligte geäußert, eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Übermittlungswegs bestehe für ihn als Insolvenzverwalter nicht. [3] Gegen die Verwerfung seiner sofortigen Beschwerde durch das LG als unzulässig wendet sich der Beteiligte mit der Rechtsbeschwerde. [4] II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. [5] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil der Beteiligte als zugelassener Rechtsanwalt gem. § 130d S. 1 ZPO, § 4 S. 1 InsO verpflichtet gewesen sei, die Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument zu übermitteln. Der Sinn der Vorschrift des § 130d ZPO, einen wirtschaftlichen Betrieb des elektronischen Rechtsverkehrs sicherzustellen, spreche für eine entsprechende Anwendung auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter. Mit Blick auf die ohnehin bestehende Verpflichtung von Rechtsanwälten, die erforderlichen technischen Einrichtungen für das besondere elektronische Anwaltspostfach vorzuhalten, begründe die Anwendung von § 130d ZPO auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber nicht-anwaltlichen Insolvenzverwaltern. Darüber hinaus ermögliche die Anknüpfung an die Anwaltszulassung im Gegensatz zu einer Unterscheidung danach, ob die konkrete Tätigkeit eher den Aufgaben eines Rechtsanwalts oder eher denjenigen eines Insolvenzverwalters zuzuordnen sei, eine einfache Bestimmung des Anwendungsbereichs der Norm. Schließlich habe der (vorläufige) Insolvenzverwalter in dem gegebenen Fall eines Verfahrens über seine Vergütung ohnehin eine vergleichbare Stellung wie ein Rechtsanwalt, der sich in einem Zivilprozess selbst vertrete. [6] 2. Das hält rechtlicher Prüfung stand. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten gegen die Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht ist unzulässig. Eine Rechtsmitteleinlegung unter Nichteinhaltung der von § 569 II 1 ZPO i.V.m. § 130d S. 1 ZPO vorgeschriebenen Form ist unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist folglich nicht. § 130d S. 1 ZPO gilt gem. § 4 S. 1 InsO für den auch als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalter jedenfalls dann entsprechend, wenn er im Insolvenzverfahren Rechtsmittel einlegt. [7] a) Die bereits durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786) neu geschaffene Bestimmung des § 130d ZPO ist am 1.1.2022 in Kraft getreten (Art. 26 VII des Gesetzes). Sie ist damit grundsätzlich auf ab diesem Zeitpunkt gegenüber den Gerichten abgegebene Erklärungen von Rechtsanwälten anwendbar. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form gem. § 130d S. 1 ZPO betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen, ihre Nichteinhaltung führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung (RegE, BT-Drs. 17/12634, 27 f., zu § 130d ZPOE; vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – IX ZR 118/22 Rn. 6, 14; OLG Düsseldorf, ZInsO 2022, 1178, 1179; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Aufl., § 130d Rn. 4; Stein/Jonas/Kern, ZPO, 23. Aufl., § 130d Rn. 9; BeckOK-ZPO/v. Selle, 2022, § 130d Rn. 6). [8] b) § 130d S. 1 ZPO bestimmt, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 58

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