BRAK-Mitteilungen 1/2023

Der formell rechtmäßige Bescheid v. 29.9.2021 ist bzgl. der angefochtenen Ziff. 1) auch materiell rechtmäßig. Die vorgeschriebene Anhörung der Bekl. vor Erlass ist erfolgt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beigeladenen als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) liegen vor. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gem. § 46a I 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gem. § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 II-V BRAO entspricht. Die Voraussetzungen sind erfüllt. 1) Die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf als Rechtsanwältin gem. § 46a I 1 Nr. 1 BRAO i.V.m. § 4 BRAO sind erfüllt. Die Beigeladene war bereits als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für ihre Tätigkeit bei der Kassenärztlichen Vereinigung R. bis zum 30.9.2020 zugelassen. Diese Zulassung ist in (der nicht angegriffenen) Ziff. 2) des angefochtenen Bescheides widerrufen. 2) Gemäß § 46a I 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen, wenn der Antragsteller eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts (Syndikusrechtsanwalts), insb. seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann (BGH, Urt. v. 22.6.2020 – AnwZ (Brfg) 81/18; BGH, Urt. v. 25.3. 2022 – AnwZ (Brfg) 8/21, BGH, Urt. v. 3.2.2020 – AnwZ (Brfg) 36/18). a) Der BGH erkennt in zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen, dass das allgemeine Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 BRAO (hoheitliche Tätigkeit) auch einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegensteht. Dabei ist eine Tätigkeit bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zwar nicht von vornherein mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit einer Zulassung entgegensteht, ob also die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet sind. Bei dieser Prüfung sind die Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach §§ 46 ff. BRAO zu berücksichtigen (BGH, 6.5.2019 – AnwZ (Brfg) 31/17; BGH, 22.6.2020 – AnwZ (Brfg) 81/18; BGH, 25.3.2022 – AnwZ (Brfg) 8/21; BGH, 3.2.2020 – AnwZ (Brfg) 36/18). Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt scheidet nach hoheitliche Tätigkeit unvereinbar der Rechtsprechung des BGH aufgrund der Gefährdung der Interessen der Rechtspflege nach § 7 Nr. 8 BRAO insb. dann aus, wenn der Antragsteller am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist. Mit der Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege ist eine hoheitliche Tätigkeit nicht vereinbar (BGH, 25.3.2022 – AnwZ (Brfg) 8/21; BGH, 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18; BGH, 3.2.2020 – AnwZ (Brfg) 36/18; BGH, 22.6.2020 – AnwZ (Brfg) 81/18). Abzustellen ist für diese Beurteilung auf die Aufgaben und rechtlichen Befugnisse, die dem Antragsteller nach dem Gesetz und den vertraglichen Vereinbarungen zukommen. Zählen dazu Tätigkeiten oder Befugnisse hoheitlicher Natur, steht dies einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 7 Nr. 8 BRAO auch dann entgegen, wenn der Antragsteller diese im konkreten Fall tatsächlich nicht ausüben sollte (BGH, Urt. v. 25.3.2022 – AnwZ (Brfg) 8/21). b) Der Arbeitgeber der Beigeladenen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Organe der Arbeitgeberin sind nach § 8 I HeilBG Rheinland-Pfalz i.V.m. § 4 I Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. die Vertreterversammlung und der Vorstand. Beide Organe sind nach § 15 Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. ehrenamtlich tätig. Der Vorstand der Bezirksärztekammer P. besteht nach § 5 IV Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. aus dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden und bis zu neun weiteren Mitgliedern. Der Vorstand beschließt gem. § 7 I Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. über die Aufgaben der Bezirksärztekammer und bestellt nach § 7 II Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. einen Geschäftsführer, der die laufenden Geschäfte der Kammer gem. § 20 I Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. führt. Der BGH definiert unter Geschäften der laufenden Verwaltung diejenigen Geschäfte, die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und zugleich nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Körperschaft von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind (BGH, 20.9.1984 – III ZR 47/83; BGH, 16.11. 1978 – III ZR 81/77, NJW 1980, 117; BGH, 25.3.2022 – AnwZ (Brfg) 8/21). Nach § 20 I Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. und nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag der Beigeladenen v. 23.9.2020 führt die Beigeladene als Hauptgeschäftsführerin die Geschäftsstelle der Bezirksärztekammer P. und deren laufenden Geschäfte. Sie ist die disziplinarische Dienstvorgesetzte aller übrigen Mitarbeiter der Geschäftsstelle, hat jedoch keine Befugnis zur fachlichen Weisung der Mitarbeiter. aa) Zu den laufenden Geschäften, die die Geschäftsstelle zu verantworten hat, gehört die Beitragsfestsetzung. Nach §§ 16 I, 15 IV Nr. 2 HeilBG i.V.m. § 1 IV BeitragsBeitragsfestsetzung ordnung der Bezirksärztekammer P. werden die Veranlagungsbescheide erhoben. Die Veranlagung der Kammermitglieder erfolgt gem. §§ 16 I, 15 IV Nr. 2 HeilBG i.V.m. § 5 Beitragsordnung der Bezirksärztekammer P. als Verwaltungsakt, damit liegt ein hoheitliches Handeln der Geschäftsstelle vor. Nach § 20 I Hauptsatzung der Bezirksärztekammer P. und dem Geschäftsführervertrag v. 23.9.2020 obliegt SYNDIKUSANWÄLTE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 48

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