BRAK-Mitteilungen 1/2023

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG EUROPA *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) BESONDERER SCHUTZ DES ANWALTLICHEN BERUFSGEHEIMNISSES EU Richtlinie 2011/16 Art. 8ab V; Charta der Grundrechte der EU Art. 7 Art. 8ab V der Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG in der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates v. 25.5.2018 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ungültig, soweit seine Anwendung durch die Mitgliedstaaten dazu führt, dass dem Rechtsanwalt, der als Intermediär i.S.v. Art. 3 Nr. 21 dieser Richtlinie in geänderter Fassung handelt, die Pflicht auferlegt wird, andere Intermediäre, die nicht seine Mandanten sind, unverzüglich über die Meldepflichten zu unterrichten, die ihnen nach Art. 8ab VI dieser Richtlinie in geänderter Fassung obliegen, wenn dieser Rechtsanwalt aufgrund der Verschwiegenheitspflicht, der er unterliegt, von der in Art. 8ab I dieser Richtlinie vorgesehenen Meldepflicht befreit ist. EuGH, Urt. v. 8.12.2022 – C-694/20 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Die DAC 6-Richtlinie sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Steuerplanungen (solche Gestaltungen, die zu Steuerhinterziehung und Steuerbetrug führen könnten) diese den zuständigen Steuerbehörden gemeldet werden müssen. Diese Pflicht betrifft auch diejenigen, die Unterstützung oder Beratung leisten, wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Allerdings kann jeder Mitgliedstaat gem. der EU-Richtlinie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von dieser Pflicht befreien, wenn sie gegen eine nach nationalem Recht vorgesehene Verschwiegenheitspflicht verstoßen würden. In solchen Fällen sind die sog. „Intermediäre“ jedoch verpflichtet, andere Intermediäre oder, falls es keine solchen gibt, den relevanten Steuerpflichtigen, unverzüglich über ihre Meldepflichten den zuständigen Behörden gegenüber zu unterrichten, Art. 8ab V DAC 6-Richtlinie. Anders als der deutsche Gesetzgeber hat der belgische Gesetzgeber von dieser Befreiungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Das flämische Dekret zur Umsetzung der EU-Richtlinie sieht vor, dass ein an einer grenzüberschreitenden Steuerplanung beteiligter Anwalt, der durch das Berufsgeheimnis gebunden ist, andere Intermediäre davon informieren muss, dass er der Meldepflicht nicht nachkommen kann. Zwei anwaltliche Berufsverbände hatten sich an den belgischen Verfassungsgerichtshof gewandt, da es nach ihrer Ansicht unmöglich sei, der Verpflichtung zur Unterrichtung der anderen Intermediäre nachzukommen ohne das Berufsgeheimnis zu verletzen. Der belgische Verfassungsgerichtshof hatte diese Frage dem EuGH vorgelegt. Dieser hat nun entschieden, dass hierin ein Eingriff in das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant liegt. Art. 8ab V der DAC 6-Richtlinie ist mithin ungültig. Damit stellte der EuGH noch einmal ganz deutlich klar, dass Art. 7 der EU-Grundrechte-Charta die Vertraulichkeit jeder Korrespondenz zwischen Privatpersonen schützt und die Korrespondenz zwischen Anwaltschaft und ihrer Mandantschaft einem verstärkten Schutz unterliegt. SORGFALTSPFLICHTEN AUS DER GELDWÄSCHERICHTLINIE EU Richtlinie 2015/849 Art. 5, 8, 13, 14, 18, 60 1. Art. 18 I und III der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5. 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission i.V.m. Art. 5 und Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einem Verpflichteten nicht auferlegt, einem Kunden allein deshalb automatisch ein hohes Risikoniveau zuzuschreiben und folglich verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesem Kunden anzuwenden, weil es sich bei diesem Kunden um eine Nichtregierungsorganisation handelt, einer der Angestellten dieses Kunden Staatsangehöriger eines Drittlands mit hoEUROPA BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 40

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