BRAK-Mitteilungen 1/2023

zu diesem Zweck neu gegründeten Unterausschuss des Europarats die Konvention als völkerrechtliches Abkommen mit möglicherweise bindender Wirkung erarbeitet. Dieser von einem deutschen BMJ-Beamten geleitete Unterausschuss hat im April 2022 seine Arbeit aufgenommen. Die Erarbeitung des Konventionstextes befindet sich gegenwärtig noch in einem recht frühen Stadium und soll bis Ende des Jahres 2024 abgeschlossen werden. Die BRAK engagiert sich bei diesem die Anwaltschaft unmittelbar betreffenden Thema in besonderem Maße. Sie ist in den Prozess der Erarbeitung der Konvention sowohl über das BMJ als auch über den Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) intensiv eingebunden. In diesem Zusammenhang hatten der Ausschuss Menschenrechte und der Ausschuss Europa bereits im Juli 20223 3 BRAK-Stn.-Nr. 30/2022. und im Oktober 20224 4 BRAK-Stn.-Nr. 45/2022. Stellungnahmen erarbeitet. Dabei hatte sich die BRAK u.a. mit Nachdruck für eine bindende Ausgestaltung der Konvention, die Festlegung eines hohen Schutzniveaus und eine Betonung einer unabhängigen, selbstverwalteten Anwaltschaft als Pfeiler des Rechtsstaats ausgesprochen. In ihrer jüngsten Stellungnahme bringt die BRAK zahlreiche konkrete Änderungsvorschläge zum aktuellen, im Dezember 2022 vorgelegten Entwurfstext der Konvention ein. Unter anderem spricht sie sich dafür aus, Schutzrechte für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Allgemeinen und das Berufsgeheimnis im Besonderen weit zu fassen und z.B. auch schon anwaltliches Tätigwerden im Vorfeld einer Mandatserteilung vollumfänglich zu schützen. Staatliche Befugnisse zur Einschränkung dieser Schutzrechte seien eng zu fassen und klar zu bestimmen. Hervorzuheben sei zudem, dass eine Gleichsetzung des Rechtsanwalts mit seiner Mandantschaft vermieden und insb. staatliche Sanktionierungen von Anwältinnen und Anwälten für Verhalten ihrer Mandantschaft verboten sein müssen. Im Übrigen sei es wünschenswert, dass die Konvention unmittelbar Wirkung zugunsten von Anwaltschaft und Mandantschaft entfalte und nicht nur die Verpflichtung der Vertragsstaaten zu gesetzlichen Regelungen enthalte. Einzelheiten und Hintergründe der Konvention erläutern Trierweiler/Boog im nächsten Heft der BRAK-Mitteilungen. STELLUNGNAHME ZUR SLAPP-EMPFEHLUNG – KOMMISSION Die BRAK hat auf Anfrage des BMJ zur Empfehlung der Europäischen Kommission zu strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP) im Dezember 2022 kritisch Stellung genommen.5 5 BRAK-Stn.-Nr. 50/2022. Dabei begrüßt sie die Empfehlung grundsätzlich, äußert jedoch insb. mit Blick auf den rechtsstaatlich gebotenen Zugang zum Recht auch Kritik. Die unverbindliche Empfehlung soll dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie Menschenrechtsverteidigern vor missbräuchlich gegen sie angestrengten Gerichtsverfahren dienen und war gemeinsam mit einem ebenfalls SLAPP betreffenden Richtlinienvorschlag am 27.4.2022 von der Kommission veröffentlicht worden. Nach Ansicht der BRAK stößt die Empfehlung auf keine grundsätzlichen Bedenken. Vielmehr sei es wünschenswert, dass der deutsche Gesetzgeber den Empfehlungen weitgehend Folge leistet und entsprechende Gesetzesänderungen – unter Wahrung rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Grundsätze – vornimmt. Indes äußert die BRAK verfassungsrechtliche Bedenken insoweit, wie die Empfehlung der Kommission über das Ziel der Sanktionierung einer Mitwirkung an rechtswidrigen Aktivitäten der Mandanten hinausgeht und an den bloßen Verdacht eines missbräuchlichen Gerichtsverfahrens anknüpft. In einer solchen Konstellation sei ein Tätigkeitsverbot für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weder mit der Berufsfreiheit noch mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz auf Zugang zum Recht vereinbar. Im Übrigen legt die BRAK u.a. dar, dass die in der Empfehlung geforderten abschreckenden Sanktionen durch das vorhandene Sanktionssystem der BRAO bereits ausreichend gewährleistet sind. EINHEITLICHE STRAFEN FÜR VERSTÖSSE GEGEN EU-SANKTIONEN Die Europäische Kommission hat am 2.12.2022 ihren Richtlinienvorschlag zur Sanktionierung von Verstößen gegen restriktive EU-Maßnahmen vorgestellt. Dieser soll zu einer effektiven Durchsetzung von EU-Sanktionen – aktuell angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine – dienen, er enthält Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen. Angehörige von Rechtsberufen sollen dem Vorschlag unterliegen und insb. von der Meldepflicht bei Verstößen betroffen sein (Art. 3 II lit. g). Dafür wiederum ist eine Ausnahme mit Rückausnahme für im Rahmen bestimmter anwaltlicher Tätigkeiten gewonnener Informationen vorgesehen, es sei denn, der Berufsangehörige beteiligt sich am Verstoß, die Rechtsberatung erfolgt zum Zwecke des Verstoßes oder der Berufsangehörige weiß von der bösen Absicht der Mandantschaft. Kernstück des Vorschlags ist eine Liste von Verstößen gegen EU-Sanktionen, welche einen Straftatbestand darstellen sollen, darunter die Erbringung sanktionierter Rechtsberatung sowie als Umgehung einer Maßnahme der Verstoß gegen eine Verpflichtung im Rahmen restriktiver Maßnahmen der Union Informationen an die zuständige Verwaltungsbehörde zu übermitteln (Art. 3 II). Die BRAK prüft den Vorschlag derzeit und erarbeitet eine Stellungnahme. Dazu passend hat der Rat hat am 28.11.2022 einstimmig beschlossen, Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der EU in die Liste der „EU-Straftaten“ aufzunehmen. In den Mitgliedstaaten ist unterschiedlich geregelt, wann ein solcher Verstoß vorliegen soll und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Deswegen können die Sanktionen derzeit nicht überall gleichermaßen durchgeführt werden. AUS DER ARBEIT DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 37

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