BRAK-Mitteilungen 1/2023

nenden Schreiben auf die Möglichkeit eines Schiedsgutachter- und Stichentscheidsverfahrens hingewiesen hatten, nicht aber auf die sich jeweils aus den ARB ergebenden Kostentragungsregeln. Das führte zur Fiktion der Leistungsansprüche gem. § 128 S. 3 VVG. Ein im Fall des LG Itzehoe in einem späteren Schreiben erteilter, insoweit vollständiger Hinweis heilte den Mangel nicht.43 43 Ebenso Münkel, in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 128 VVG Rn. 4 unter Berufung auf BGH, Urt. v. 19.3.2003 – IV ZR 139/01. 6. RÜCKNAHME EINER DECKUNGSZUSAGE Das Kammergericht44 44 Vgl. KG, Beschl. v. 22.10.2021 – 6 U 1023/20 m. zust. Anm. Johannes, jurisPR-Vers 10/2022 Anm. 2. hatte sich mit dem Versuch eines Rechtsschutzversicherers zu befassen, eine angeblich ohne Rechtsgrund erbrachte Versicherungsleistung gem. § 812 I 1 Var. 1 BGB zurückzufordern. Der Versicherer hatte offenbar auf eine Schadenandienung eine eingereichte Anwaltsrechnung schlicht bezahlt. Das Gericht bestätigte zunächst die allgemeine Rechtsansicht, wonach eine Deckungszusage ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstelle, das der Versicherer nur unter bestimmten Voraussetzungen selbst gem. § 812 I 2, II BGB kondizieren und sodann erbrachte Versicherungsleistungen zurückfordern könne. Jedenfalls bleibe er mit Einreden oder Einwendungen ungehört, die ihm im Zeitpunkt der Zusage bekannt waren oder mit denen er rechnen konnte.45 45 So BGH, Urt. v. 16.7.2014 – IV ZR 88/13 Rn. 21. Teilweise wurden von Obergerichten und nun auch vom Kammergericht sowie in der Literatur erweiternd Gründe ausgeschlossen, die der Versicherer bei gehöriger Prüfung des Sachverhalts hätte erkennen können.46 46 Vgl. etwa OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.11.2005 – 5 U 1/05 Rn. 32 oder Münkel, in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 17 ARB 2010 Rn. 24 m.w.N. Hieran fehlte es vorliegend, denn das Gericht sah zu Recht in der Bezahlung der eingereichten Honorarrechnung, bei der es sich um eine Vorschussrechnung gehandelt haben dürfte, zumindest eine konkludent erklärte Deckungszusage. Nach Zahlung berief sich der Versicherer auf fehlende Erfolgsaussicht und verlangte das Bezahlte zurück. Das fand nicht den Beifall des Kammergerichts, denn die Erfolgsaussichten hätte der Versicherer vor Bezahlung der Rechnung und damit Bestätigung der Deckung prüfen können und den Versicherungsnehmer gegebenenfalls auf die Möglichkeit eines Stichentscheids oder Schiedsgutachterverfahrens hinweisen müssen. Das Gericht trifft dann noch die in dieser Pauschalität nicht von allen geteilte Aussage, § 17 IV ARB eröffne dem Versicherer nicht die Möglichkeit, seine Deckungsentscheidung unter eine Bedingung oder einen Vorbehalt zu stellen.47 47 A.A. etwa OLG Köln, Urt. v. 18.3.1997 – 9 U 142/96. Vgl. auch Harbauer/Schneider, § 17 ARB 2010 Rn. 17. II. PROZESSUALES: AKTIVLEGITIMATION EINES SCHADENABWICKLUNGSUNTERNEHMENS Nach § 126 II 1 VVG können Ansprüche auf die Leistung aus einer Rechtsschutzversicherung gegen einen Kompositversicherer, der ein selbstständiges Schadenabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung betraut hat, nur gegen dieses in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend gemacht werden.48 48 Zu Rspr. in diesen Passivfällen vgl. etwa Völker, BRAK-Mitt. 2018, 11 (18). Der BGH49 49 Vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 – IV ZR 143/21 Rn. 12 ff. S. dazu auchVölker, BRAKMitt. 2022, 20 (23); ders. BRAK-Mitt. 2021, 14 (17) m.w.N. hat nun höchstrichterlich die Frage beantwortet, ob diese Regelung wegen einer planwidrigen Regelungslücke, die der Gesetzgeber verkannt hat und bei deren Erkennen er eine entsprechende Regelung getroffen hätte, analog auch auf Aktivprozesse übertragbar ist. Die Einführung des § 126 II 1 VVG bzw. seiner Vorgängernorm sei Folge der Aufhebung des strengen aufsichtsrechtlichen Spartentrennungsprinzips gewesen mit dem Ziel, Interessenkonflikte innerhalb eines Kompositversicherers, der z.B. gleichzeitig Haftpflichtversicherer des Schädigers und Rechtsschutzversicherer des Geschädigten ist, zu vermeiden. Eine solche Interessenkollision war für den BGH für den Fall zu verneinen, in welchem das Schadenabwicklungsunternehmen einen Anspruch auf Auskehr der einem im Strafverfahren freigesprochenen Versicherten durch die Staatskasse zu erstattenden Auslagen geltend machte, die der Versicherer zuvor auf Honoraransprüche des Verteidigers für Rechnung des Versicherten bezahlt hatte. Der Anspruch folge unmittelbar aus §§ 677, 681 S. 2, 677 BGB oder einer parallelen Regelung in den ARB und hänge einzig davon ab, ob der Versicherer den Betrag tatsächlich verauslagt habe, was sich unschwer und ohne Gefahr einer Interessenkollision feststellen lasse, da ja noch nicht einmal das tatsächliche Bestehen eines Deckungsanspruchs Voraussetzung sei. Auch unionsrechtliche Gründe würden eine analoge Anwendung nicht begründen. Auch die Parallelität zwischen § 126 II 1 VVG und § 164 I 1 VAG nötige hierzu nicht, weil begrifflich die aktive Verfolgung eines Herausgabeanspruchs nicht zwingend unter den Begriff der aufsichtsrechtlich auszugliedernden Leistungsbearbeitung falle. So der Versicherer dies dennoch zur Erreichung größtmöglicher Rechtssicherheit vor Interessenkollisionen wünsche, könne er das Schadenabwicklungsunternehmen etwa durch einen Funktionsausgliederungsvertrag umfassend auch zur aktiven Geltendmachung von Ansprüchen ermächtigen und hierdurch die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft schaffen. Zum notwendigen Inhalt eines Funktionsausgliederungsvertrags gehöre dies jedoch nicht. Ob dies geschehen sei, sei tatrichterlich festzustellen. VÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2022 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 23

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