BRAK-Mitteilungen 6/2022

I. EINLEITUNG Das BSG hat mit zwei Entscheidungen vom 28.6.2022 den Blick auf die Rechtsanwaltschaft geworfen. Die Entscheidung B 12 R 4/20 R betraf die Sozialversicherungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Rechtsanwalts-GmbH und die Entscheidung B 12 R 1/ 20 R beschäftigte sich mit der Frage der Berücksichtigung der vom Arbeitgeber getragenen Haftpflichtversicherung als beitragspflichtiges Einkommen. In beiden Entscheidungen waren die klagenden Rechtsanwälte nicht erfolgreich. II. SOZIALVERSICHERUNGSPFLICHT DES GESELLSCHAFTER-GESCHÄFTSFÜHRERS EINER RECHTSANWALTS-GMBH Nach der Entscheidung zur Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft1 1 BSG, Urt. v. 7.7.2020 – B 12 R 17/18 R, BRAK-Mitt 2021, 214 mit Anm. Pfuhlmann-Riggert/Schroeder-Printzen. dürfte das Ergebnis der vorliegenden Entscheidung des BSG2 2 BSG, Urt. v. 28.6.2022 – B 12 R 4/20, BRAK-Mitt. 2022, 356 (in diesem Heft). wenig überraschen. Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Entscheidung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, in welcher Rechtsform die gemeinsame Berufsausübung wahrgenommen wird, insbesondere auch im Hinblick auf die Möglichkeiten nach Änderung der BRAO seit dem 1.8.2022 zur Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft (§ 59j BRAO). Zum 1.1.2022 gab es in Deutschland 1.194 Rechtsanwalts-GmbHs.3 3 BRAK, Mitgliederstatistik der Rechtsanwaltskammern zum 1.1.2022. Soweit die dort tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht zumindest 50 % der Anteile am Stammkapital halten, ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Es liegt nur dann ausnahmsweise eine selbstständige Tätigkeit vor, wenn einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. 1. „GESELLSCHAFTSRECHTLICHES KÖNNEN“ ALS BEURTEILUNGSMASSSTAB Nach dem „gesellschaftsrechtlichen Können“ richtet das BSG seit vielen Jahren allein die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit eines Gesellschafters. Das BSG löst sich völlig von dem Berufsrecht und schließt jeden Rückgriff darauf für die Beurteilung der Tätigkeit aus. Anders war dies noch in der grundlegenden Entscheidung des BSG vom 3.4.20144 4 BSG, Urt. v. 3.4.2014 – B 5 RE 13/14 R, BRAK-Mitt 2014, 265. zur Frage der Befreiung eines Syndikusrechtsanwalts von der Versicherungspflicht gem. § 6 I Nr. 1 SGB VI. Hier wurde klargestellt, dass die mit einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten nicht im Einklang mit den in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigen Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten in Einklang zu bringen seien. Nach der Entscheidung bestanden zunächst Zweifel, ob der Beruf des Rechtsanwalts überhaupt noch im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werden kann. Jedenfalls entsprach die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nicht der Vorstellung des BSG von dem Berufsbild eines freien Rechtsanwalts, weshalb die Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 6 I Nr. 1 SGB VI abgelehnt worden ist. Das BSG stellt jetzt nochmals klar, dass die „freiberufliche“ Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht ohne den rechtlichen und organisatorischen Rahmen beurteilt werden könne, der sich aus der Stellung als GmbH-Geschäftsführer ergebe. Diese Maßstäbe würden berufsrechtlich nicht überlagert. Allein aus der Zuordnung zu einem „freien Beruf“ lasse sich keine normative Wirkung in dem Sinn ableiten, dass die Angehörigen eines solchen Berufs grundsätzlich einer selbstständigen Tätigkeit nachgingen. Auch wenn das Berufsrecht vorgebe, dass der Rechtsanwalt einem freien Beruf nachgehe, dürfe er diesen auch als Angestellter solcher Arbeitgeber ausüben, die als Rechtsanwälte oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften tätig seinen. Alle Angestellten anderer Personen oder Gesellschaften würden ihre Tätigkeit als angestellte Syndikusrechtsanwälte ausüben. All die Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit, die sich aus dem Berufsrecht ergeben, sind aus Sicht des BSG keine Merkmale, denen ausschlaggebende Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zukommt. Entscheidend ist, dass bei einer GmbH eine weisungsunterworfene Eingliederung des Geschäftsführers in eine vorgegebene – fremde – Ordnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft vorliegt. Wenn man eine Rechtsform mit haftungs- und steuerrechtlichen Vorteilen wähle, könne man sich danach nicht darauf berufen, dass die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsträgern freiberuflich als selbstständiger Rechtsanwalt erfolge. 2. ÄNDERUNGEN DURCH MOPEG UND „GROSSE BRAO-REFORM“? Das BSG betont ausdrücklich, dass keine solchen Rechtsanwaltsgesellschaften Anwaltssozietäten in der Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Partnerschaften seien. Es erfolgte hier immerhin eine deutliche Abgrenzung zu den „klassischen Formen“ der gemeinsamen Berufsausübung. „Echte Anwaltssozietäten“ in der Form einer GbR müssen demnach wohl nicht befürchten, dass Gesellschafter, die über keine Gesellschaftsanteile von mindestens 50 % oder eine echte Sperrminorität nach dem Gesellschaftsvertrag verfügen, nun der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Ob sich dies bei der Beurteilung der GbR auf Grundlage des zum 1.1.2024 in Kraft tretenden Gesetzes zur MoBRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 AUFSÄTZE 302

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