BRAK-Mitteilungen 3/2022

das Merkmal „Verfahrensdauer“ (ebenso wie für die Merkmale „Verwaltungskosten“ und „Abweisung mangels Masse“) errechnet sich nach den Erläuterungen des Ag. in umgekehrter Reihenfolge; die volle Punktezahl erhält der Bewerber mit dem niedrigsten Wert, wohingegen Bewerber mit dem höchsten Wert (oder einem Wert oberhalb des von den Insolvenzrichtern festgelegten Maximalwerts) null Punkte erhalten. Der – insoweit von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffene – Wert des Ast. für die Verfahrensdauer beträgt 77,88. Da dieser oberhalb des Maximalwertes von 71,00 liegt, ergibt sich hierfür bei folgerichtiger Anwendung des Punktesystems ein Punktwert von null. ANMERKUNG: Die Aufnahme von Bewerbern in sog. „Vorauswahllisten“, aus welchen dann der Insolvenzrichter im konkreten Einzelfall eine Person als (vorläufigen) Insolvenzverwalter auswählt, beschäftigt immer wieder die Gerichte. Solche Vorauswahllisten zu führen hatte das BVerfG den Insolvenzrichtern im Jahr 2004 aufgegeben (Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00), infolge der Qualifizierung der Insolvenzverwaltertätigkeit als verfassungsrechtlich geschütztem Beruf. Knapp zwei Jahre später präzisierte das BVerfG die Anforderungen, die an eine solche Vorauswahlliste zu stellen sind (Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04). Es gab vor, dass in die Vorauswahlliste aufgenommen werde müsse, wer „die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt“ (BVerfG, a.a.O., Rn. 45.). Ferner müsse das Vorauswahlverfahren die „Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleisten, die [...] eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen.“ Damit bedarf es – auf der „ersten Stufe“ – klarer (subjektiver) Berufszugangsregelungen, die der Bewerber erfüllen muss, z.B. hinsichtlich Qualifikation, Haftpflichtversicherung, Redlichkeit und geordneter Vermögensverhältnisse. Sodann sind – auf der „zweiten Stufe“ – belastbare Daten der Bewerber zu erheben und zu strukturieren, die dem Insolvenzrichter die sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten Insolvenzverfahren ermöglichen. Nähere gesetzliche Vorgaben hierzu fehlen indes bis heute. Die einzige „Berufszugangsregelung“ findet sich in § 56 I 1 InsO, der vorschreibt, dass zum Insolvenzverwalter „eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person“ zu bestellen ist. Mangels präziser rechtlicher Maßstäbe mühen sich seither die Fachgerichte, „Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln“ (so BVerfG, a.a.O., Rn. 45). Mit der vorstehenden Entscheidung konkretisiert nun der BGH, welche Kriterien er hinsichtlich der „zweiten Stufe“ generell für zulässig hält. Dass zuvor – auf der „ersten Stufe“ – die „persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen“ erfüllt sein müssen und in diesem Fall die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden kann, hält der BGH für selbstverständlich (Rn. 28). Auf die insoweit zu erfüllenden Kriterien, die letztlich Berufszugangsregelungen darstellen, geht er indes nicht ein (Rn. 28). Mit der Vorinstanz hält der BGH die im Fall getroffene Punktebewertung für rechtswidrig, weil nicht ersichtlich sei, dass die zugrundeliegenden Daten der Bewerber auf einer gesicherten Grundlage gewonnen wurden und diese vergleichbar seien. Soziale Fähigkeiten der Bewerber dürften im Rahmen der Vorauswahlliste erhoben werden; dies setze aber voraus, dass ein nachvollziehbares Anforderungsprofil und belastbare Daten vorhanden seien. Ebenso dürfe der Umfang von Fortbildungen berücksichtigt werden, dies aber nicht nur beschränkt auf ein bestimmtes Kalenderjahr. Anders als es das Kammergericht sah, könnten grundsätzlich auch Zertifizierungen Eingang in die Vorauswahlliste finden, ebenso bestimmte Ergebnisse der bisher vom Bewerber abgeschlossenen Verfahren. Dies beeinträchtige die Chancengleichheit nicht rechtsfehlerhaft, soweit diese Daten nach der Einschätzung des Insolvenzrichters für die sachgerechte Ermessensausübung bei der (späteren) Auswahlentscheidung benötigt würden. Indes dürfe der Insolvenzrichter „die Daten der verfahrensbezogenen Merkmale nur im rechtlich zulässigen Rahmen berücksichtigen“ (Rn. 44). Ein hierauf gestützter Vergleich zwischen einzelnen Bewerbern, etwa mittels Bepunktung und im Rahmen eines „Ranking“, dürfe dagegen nur erfolgen, soweit die zu den Merkmalen erhobenen Daten auf einer gesicherten Grundlage vergleichbar seien. In diesen Grenzen dürften etwa Daten zu den Merkmalen „Insolvenzpläne“, „Massesteigerung“, „Ausschüttungsquote“, „Verwaltungskosten“, „Abweisung mangels Masse“ und „Verfahrensdauer“ erhoben werden. Der BGH erlaubt damit – unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben (Rn. 41) – den Insolvenzgerichten die Abfrage vielfältiger Daten bei den Bewerbern, soweit diese einen Bezug zur persönlichen und fachlichen Eignung für das Verwalteramt aufweisen. Diese Daten muss das Insolvenzgericht auch verifizieren und strukturieren. In Bezug setzen zu den Daten anderer Bewerber – sei es durch Bepunktung, „Ranking“ oder auch durch Abgleich bei der konkreten Verwalterauswahl im Einzelfall – darf der Insolvenzrichter diese Daten aber nur dann, wenn deren Vergleichbarkeit gesichert ist, was bei verfahrensbezogenen Merkmalen zumeist nicht der Fall sein dürfte. Der BGH gibt somit der Praxis konkrete Handlungsanweisungen an die Hand, wie eine zulässige Vorauswahlliste ausgestaltet sein kann. Ob diese Handlungsanweisungen auf breiter Basis praxistauglich sind, erBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 181

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