BRAK-Mitteilungen 3/2022

lenden Anforderungen unterlägen der vollen gerichtlichen Kontrolle. Für die Beurteilung, ob ein konkreter Bewerber den danach aufgestellten Kriterien für die persönliche und fachliche Eignung entspreche, stehe dem Insolvenzgericht ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Dabei habe der Ast. einen Anspruch darauf, eine faire Chance auf Bestellung zum Insolvenzverwalter zu erhalten. [8] Nach diesen Maßgaben sei der Bescheid des Ag. v. 27.3.2017 so zu verstehen, dass aufgrund der erhobenen Daten eine Rangfolge der Prätendenten erstellt worden sei und dass die Häufigkeit der Bestellung zum Insolvenzverwalter von der Position des jeweiligen Prätendenten abhängen solle. Dies ergebe sich insb. aus den Mitteilungen im Vorfeld und der Übernahme des sog. Hannoveraner Modells. Dieser Bescheid sei durch das Schreiben v. 2.6.2017 nicht teilweise zurückgenommen worden. [9] Die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens zur Erstellung der Vorauswahlliste sei teilweise willkürlich und verletze das Recht auf eine faire Zugangschance zum Amt des Insolvenzverwalters. Sie führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung alteingesessener Insolvenzverwalter bei der Festlegung und Gewichtung einzelner Auswahlkriterien. Zudem berücksichtige der Ag. Einzelmerkmale, die andere Ziele als das die Insolvenzordnung beherrschende Prinzip der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung in den Vordergrund stellten. [10] Der Teil der vom Ag. erstellten Liste 1, der die Altverwalter mit überdurchschnittlichem Punkteergebnis enthalte, stelle eine geschlossene Liste dar. Sie fördere die Bestellungschancen der alteingesessenen Altverwalter. Das System der Punktebewertung berge die Gefahr, dass mit Schaffung und Gewichtung von Einzelkriterien alteingesessene Bewerber bevorzugt werden könnten. Dies gelte auch für die vom Ag. verwendete Vorauswahlliste. Solange die erreichte Punktezahl für die Bestellung zum Insolvenzverwalter ausschlaggebend sei, sei der gleichmäßige Zugang für alle Bewerber nicht gewährleistet. Dies stelle einen Eingriff in das Grundrecht der freien Berufsausübung aus Art. 12 GG dar. Eine gesetzliche Grundlage hierfür fehle. Eine Steuerung der Vorauswahlliste durch die Insolvenzrichter eines Amtsgerichts auf der Grundlage einer Verfahrensordnung laufe auf eine Ermessensentscheidung hinaus, die es auf dieser Stufe noch nicht geben dürfe. [11] Für die Erstellung der Vorauswahlliste sei das Kriterium Berufserfahrung unbedenklich. Gleiches gelte für das Merkmal Qualifikation, soweit dabei auf Abschlüsse abgestellt werde. Bedenklich sei das Merkmal kommunikative Kompetenz, weil hierbei auf die Eindrücke aus vergangenen Bestellungen als Insolvenzverwalter zurückgegriffen werde. Dies bevorzuge die alteingesessenen Insolvenzverwalter. Die Merkmale Fortbildung Verwalter und Fortbildung Mitarbeiter seien für die Bewertung intransparent, weil allein auf das Jahr 2015 abgestellt werde und andere Jahre nicht berücksichtigt würden. Das Kriterium Zertifizierung dürfe nicht berücksichtigt werden, weil hierauf im Vorfeld nicht hingewiesen worden sei. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete, dass die maßgeblichen Kriterien transparent und aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich seien. [12] Im Hinblick auf die Merkmale Sanierung, Insolvenzpläne, Massesteigerung und Ausschüttungsquote sei fraglich, ob für eine ausreichende Chancengleichheit für alle Bewerber gesorgt sei. Eine Verbesserung der Punktebewertung durch diese Merkmale komme vor allem für jene Bewerber in Betracht, die als überdurchschnittliche Bewerber ohnehin häufiger bestellt würden. Hingegen hätten andere Bewerber, die nur gelegentlich in Kleinverfahren oder massearmen Insolvenzverfahren bestellt würden, kaum eine Chance, ihre Punktebewertung zu verbessern. Das Merkmal Verwaltungskosten sei geeignet, diejenigen Bewerber zu benachteiligen, die überwiegend in Kleinverfahren zum Insolvenzverwalter bestellt würden. Das Merkmal Abweisung mangels Masse benachteilige ebenfalls die Gruppe der unterdurchschnittlichen Altverwalter und der Jungverwalter. Auch dem Kriterium Verfahrensdauer könne kein besonderes Gewicht für das Ranking zukommen. [13] II. Dies hält rechtlicher Überprüfung weitgehend stand. [14] 1. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig. Insbesondere enthalten die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses keine Einschränkung der Rechtsbeschwerdezulassung. [15] 2. Die Rechtsbeschwerde des Ag. ist unbegründet, soweit sich der Ag. gegen die Aufhebung des Bescheids v. 23.3.2017 und die Verpflichtung zur Neubescheidung wendet. Sie hat teilweise Erfolg hinsichtlich der vom KG für die Neubescheidung geäußerten Rechtsauffassung. [16] a) Das KG hat das Begehren des Ast. dahin ausgelegt, dass es hilfsweise auf eine Neubescheidung des Ast. gerichtet ist. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Der Ast. hat sich dieses Verständnis seines Antrags jedenfalls durch den Antrag auf Zurückweisung der Rechtsbeschwerde des Ag. stillschweigend zu eigen gemacht. [17] b) Im Ergebnis zutreffend hat das KG angenommen, dass die vom Ag. im Rahmen der Vorauswahlliste vorgenommene Punktbewertung rechtswidrig ist und den Ast. in seinen Rechten verletzt. [18] aa) Der Angriff der Rechtsbeschwerde, die Mitteilung über die vom Ast. erreichte Punktezahl und die Durchschnittspunktezahl der Bewerber könne nicht Gegenstand gerichtlicher Kontrolle sein, weil der Bescheid v. 23.3.2017 allein die Aufnahme des Ast. in die Vorauswahlliste regele, geht fehl. Die Punktebewertung stellt einen im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbaren Teil des Bescheides dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Punktebewertung für den über die Bestellung zum Insolvenzverwalter entscheidenden Insolvenzrichter verbindlich ist. [19] (1) Die für einen Insolvenzrichter bei der Bestellung oder Auswahl eines Bewerbers zum Insolvenzverwalter SONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 176

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0