BRAK-Mitteilungen 3/2022

Antwortschreiben an Absolvierende der vom Kl. angebotenen Kurse und damit auf Einzelfälle bezogen führt die Bekl. aus, bei den Online-Klausuren sei nicht überprüfbar, ob die geschriebene und die eingereichte Klausur tatsächlich identisch seien. Es bestehe eine Manipulationsmöglichkeit. Eine Aufsichtsarbeit i.S.d. § 4a FAO liege grundsätzlich nur vor, wenn sie unter persönlicher Aufsicht erfolge. Auf die Möglichkeit, die Aufsicht durch einen anderen Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin durchführen zu lassen, habe die Bekl. die Teilnehmenden der Kurse des Kl. auf deren Anfrage hingewiesen. Soweit der Kl. sich auf die parallele Entwicklung an Hochschulen beziehe, hätten diese ihre internen Bestimmungen geändert, um andere Formen der Leistungskontrolle zuzulassen. Die Fachanwaltsordnung sei gerade nicht geändert worden. Der Kammer liegt neben der Gerichtsakte eine Unterlagensammlung der Bekl. mit Dokumenten mit Bezug zum Verfahren vor (ein Heft). Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Hierauf sowie auf die von den Beteiligten vorgelegten Schriftsätze und Urkunden wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. AUS DEN GRÜNDEN: Die Klage hat sowohl mit ihrem in der mündlichen Verhandlung präzisierten Hauptantrag als auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg, denn der Kl. hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der von ihm geltend gemachten Rechtsverhältnisse. I. Die Klage ist in ihrem in der mündlichen Verhandlung präzisierten Hauptantrag als Feststellungsklage statthaft und auch sonst zulässig. Denn es besteht ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis zwischen Kl. und Bekl. (dazu unter 1.). Der Kl. hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, § 43 I a.E. VwGO (dazu unter 2.). Die Feststellungsklage ist zudem gegenüber anderen Klagearten nicht subsidiär, § 43 II 1 VwGO (dazu unter 3.). 1. Zwischen dem Kl. und der Bekl. besteht ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis. a) Als Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 I VwGO werden die hinreichend konkretes Rechtsverhältnis rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.1.1992 – 3 C 50.89, juris Rn. 29; v. 23.8.2007 – 7 C 2.07 Rn. 21; v. 25.10.2017 – 6 C 44.16 Rn. 10; Happ, in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, § 43 Rn. 12). Jede rechtliche Beziehung, jedes subjektive Recht und jede Pflicht stellt demnach ein Rechtsverhältnis dar (Pietzcker, in Schoch/ Schneider, VwGO, 41. EL Juli, § 43 Rn. 5). Als subjektives Recht kann in diesem Zusammenhang auch die auf einen konkreten Sachverhalt bezogene Rechtsmacht des Staates oder seiner Untergliederungen gegenüber dem Bürger sowie das Bestehen oder Nichtbestehen einer Pflicht bezeichnet werden (Sodan, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 43 Rn. 9 f.). Ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 I VwGO kann etwa durch Rechtsnormen, Kompetenz einer Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts, öffentlich-rechtlichen Vertrag oder einen Realakt entstehen (Sodan, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 43 Rn. 14). Gemessen daran besteht zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 I VwGO. Die Bekl. hat gem. § 43c II BRAO die Befugnis, über den Antrag zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung zu entscheiden. Der Erwerb theoretischer Kenntnisse kann durch eine erfolgreiche Lehrgangsteilnahme dargelegt werden, wobei der Antragsteller Zeugnisse des Lehrgangsveranstalters vorzulegen hat (§ 6 II FAO). Diese müssen auch Auskunft über die erfolgreich absolvierten Leistungskontrollen geben. Die Fachanwaltsordnung delegiert das materielle Prüfungsrecht auf die Anbieter des Lehrgangs. Insofern beschränkt sich die formalisierte Prüfungskombeschränkte Prüfungskompetenz der Kammern petenz der Rechtsanwaltskammern auf die i.S.v. § 6 II FAO von den Lehrgangsanbietern ausgestellten Zeugnisse (BGH, Beschl. v. 21.7. 2008 – AnwZ (B) 62/07 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 23.9. 2002 – AnwZ (B) 40/01 Rn. 13; Scharmer, in Hartung/ Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 7. Aufl., 2020, § 4 FAO Rn. 52; Offermann-Burckart, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., 2019, § 4a FAO Rn. 24). In diesem Rahmen kann der jeweilige Fachausschuss von dem Lehrgangsveranstalter etwa die Vorlage der Bewertungsmaßstäbe verlangen und prüfen, ob diese in sich richtig und schlüssig angewandt worden sind (BGH, Beschl. v. 21.7.2008 – AnwZ (B) 62/07 Rn. 6; Scharmer, in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 7. Aufl., 2020, § 4 FAO Rn. 52; Kleine-Cosack, in Kleine-Cosack, BRAO, 8. Aufl., 2020, § 24 FAO Rn. 2; Offermann-Burckart, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., 2019, § 4a FAO Rn. 24 ff.). Angesichts dieser Verflechtungen ist ein Rechtsverhältnis zu bejahen. Dem steht nicht entgegen, dass die Fachanwaltsordnung und die Bundesrechtsanwaltsordnung grundsätzlich vorsehen, dass der Teilnehmer eines Lehrgangs – sollte das Zeugnis nicht anerkannt werden – gegen diese Ablehnung gerichtlich vorgehen kann. Denn auch dem Lehrgangsveranstalter muss es mit Blick auf das Gebot hinreichender Rechtsschutzeffektivität (Art. 19 IV GG) angesichts der einschneidenden Befugnis der Rechtsanwaltskammer, von ihm ausgestellte Zeugnisse nicht anzuerkennen, vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) möglich sein, selbst für seine Rechte und Interessen einzutreten, ohne auf die Einleitung eines zeit- und kostenintensiven Prozesses durch einen abgelehnten Lehrgangsteilnehmer angewiesen zu sein. Zudem ist der Kl. von dem Hinweis auf der Webseite der Bekl., nach dem Leistungskontrollen, die nicht in Präsenz stattgefunden haBRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 158

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