BRAK-Mitteilungen 2/2022

sie hinsichtlich des Klageantrags zu 1) unzulässig und hinsichtlich des Klageantrags zu 2) jedenfalls unbegründet ist. 1. Der Klageantrag zu 1) ist unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Klage überhaupt gegen anfechtbare Beschlüsse i.S.d. § 112f BRAO richtet. Denn jedenfalls fehlt es an der Klagebefugnis und zudem auch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis der Kl. a) Wie schon im Hinweisbeschluss des Senats v. 24.6. kein Rechtsschutzbedürfnis 2020 angesprochen bestehen bereits Zweifel daran, ob es sich bei den Beschlüssen der Kammerversammlung der Bekl. v. 3.5.2019 bezüglich der Ablehnung des Antrags zur Nutzung des „Seehauses“ um taugliche Klageobjekte handelt. Der Anfechtung nach § 112f BRAO unterliegen Beschlüsse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur unter zwei Voraussetzungen, deren Erfüllung fraglich ist. aa) Aus § 112f BRAO ist anhand des dortigen Nebeneinanders von Wahlen, die für ungültig, und Beschlüssen, die für nichtig erklärt werden können, zunächst herleitbar, dass sich die dortige Anfechtungsmöglichkeit auf Willensäußerungen beschränkt, die materiell den Charakter eines Rechtsgeschäfts aufweisen, da sie einer Nichtigerklärung nur dann ihrem Wesen nach überhaupt zugänglich sind. Sie müssen daher eine Gestaltungswirkung im Hinblick auf Rechtsverhältnisse besitzen, einerlei ob es sich dabei um Organschaftsbeziehungen oder Mitgliedschaftsrechte oder -Pflichten handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.1962 – AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, Rn. 13, 14 bei juris). Nachdem sich die Unteranträge 1-3 allein darauf richteten, den Vorstand in Bezug auf das „Seehaus“ zu bestimmten Realakten zu veranlassen (Information der Mitglieder über die aktuelle Beschlusslage und zukünftige Maßnahmen, Wiederaufnahme des bisherigen Betriebs, Feststellung und Umsetzung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen), erscheint fraglich, ob ihnen gleichwohl eine Gestaltungswirkung im Hinblick auf Rechtsverhältnisse zugekommen wäre. Die Formulierung der Unteranträge legt dies nicht nahe: Sie sah nicht vor, bestimmte Entscheidungen zu treffen, bestimmte Maßnahmen zu beschließen oder den Vorstand auf solche zu verpflichten, sondern enthielt lediglich „Aufforderungen“ an den Vorstand für zukünftiges Handeln bzw. Unterlassen. Eine Gestaltungswirkung könnte darin allenfalls insofern gesehen werden, als wohl – wie auch von Klägerseite vorgetragen – eine entsprechende rechtliche Bindung des Kammervorstandes intendiert war (als ausreichend angesehen etwa durch BGH, Beschl. v. 13.5.1985 – AnwZ (B) 49/84, NJW 1986, 992, Rn. 48 bei juris), die Gegenstand einer Nichtigerklärung sein könnte. Grundsätzlich obliegt dem Präsidenten der Kammer die Ausführung der Beschlüsse der Kammerversammlung (§ 80 II 2 BRAO), wobei er an den Inhalt der Beschlüsse gebunden ist und sie sinnentsprechend ausführen muss (vgl. z.B. Weyland/Weyland, 10. Aufl. 2020, § 80 BRAO Rn. 4). Beim Unterantrag 4 wurde bereits im Hinweisbeschluss des Senats die dort angestrebte, über eine Einzelweisung hinausgehende rechtliche Bindung des Vorstands als möglicherweise ausreichend für eine Anfechtbarkeit nach § 112f BRAO angesehen. bb) Aus der in § 112f II Nr. 1 BRAO primär vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeit durch die Landesjustizverwaltung wird zudem gefolgert, dass nur solche Beschlüsse anfechtbar sind, die in die Rechte der Rechtsanwälte im allgemeinen und nicht nur in die Rechte eines einzelnen Rechtsanwalts eingreifen, da es sonst an einem berechtigten Interesse der Landesjustizverwaltung fehlt. § 112f II Nr. 2 BRAO dehnt die allein in diesem Umfang gegebene Anfechtungsmöglichkeit lediglich auf in ihren Rechten selbst betroffene Kammermitglieder aus, ohne sie dabei zu erweitern (vgl. BGH, Beschl. v. 25.4.1977 – AnwZ (B) 3/77, BGHZ 69, 32, Rn. 12, 13 bei juris). Bei den Unteranträgen 1-4 steht zwar keine bloß singulare Betroffenheit eines einzelnen Kammermitglieds im Raum. Zumindest bei einem wörtlichen Verständnis der obigen Formulierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt dies allein aber noch nicht, um eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 112f BRAO zu eröffnen. Vielmehr wäre zusätzlich erforderlich, dass der fragGesamtheit der Kammermitglieder muss tangiert sein liche Beschluss die Gesamtheit der Kammermitglieder nicht nur tangiert, sondern in ihre Rechte eingreift. Hierfür würde nicht zwingend ausreichen, dass er wie im vorliegenden Fall eine Bindung des Vorstands (siehe oben aa) bewirken soll. Bei einem weiteren Verständnis dieses Eingriffserfordernisses könnte eine Anfechtbarkeit allerdings schon eröffnet sein, wenn ein Beschluss der Kammer wie auch im vorliegenden Fall Vorgaben für die – der Gesamtheit ihrer Mitglieder dienende – Wahrnehmung ihrer Aufgaben machen soll. Hierfür spräche, dass die den Ausgangspunkt bildende Anfechtungsmöglichkeit der Landesjustizverwaltung, die der Wahrnehmung der staatlichen Aufsicht über die Kammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts dient (vgl. z.B. Weyland/Weyland, a.a.O., § 112f BRAO Rn. 34), kaum davon abhängen kann, ob gegen einen Beschluss auch allen Kammermitgliedem eine Klagebefugnis zusteht. Die Funktion des Kriteriums wäre dann allein darin zu sehen, der Entscheidung eines Einzelfalls dienende und gleichwohl als „Beschluss“ titulierte Verwaltungsakte von einem Vorgehen nach § 112f BRAO auszunehmen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16 bei juris). In Übereinstimmung mit einem solchen Verständnis hat der BGH für die Anfechtbarkeit etwa die „allgemeine Wirkung gegenüber allen Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer“ eines Beschlusses genügen lassen, der den Vorstand zur Einberufung einer Arbeitsgruppe veranlassen sollte, welche eine Stellungnahme zu einer geplanten Änderung des Familienrechts erarbeiten und dem Bundesjustizministerium übermitSONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 114

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