BRAK-Mitteilungen 2/2022

Doppelstöckige Anwaltsgesellschaft Die „große BRAO-Reform“, die zum 1.8.2022 in Kraft tritt,26 26 S. den Überblick bei Nitschke, BRAK-Mitt. 2021, 218. bringt u.a. umfassende Änderungen des Gesellschaftsrechts der rechts- und steuerberatenden Berufe. Nach § 59i BRAO n.F. sind künftig Beteiligungen von Rechtsanwaltsgesellschaften an anderen Rechtsanwaltsgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Angesichts dessen hat das BVerfG die BRAK um Stellungnahme gebeten, wie sich diese Änderungen auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde auswirken. Im zugrundeliegenden Fall wollten eine RechtsanwaltsPartGmbB und eine Rechtsanwalts-GmbH eine doppelstöckige Anwaltsgesellschaft bilden, indem die drei Gesellschafter der GmbH sämtliche Geschäftsanteile auf die PartGmbB übertrugen. Die zuständige Rechtsanwaltskammer entzog daraufhin der GmbH die Zulassung, weil eine PartGmbB als einzige Gesellschafterin nicht mit § 59e I 1 und 2 BRAO vereinbar sei. Dagegen klagten die Beteiligten erfolglos. Die BRAK hält die von ihnen eingelegte Verfassungsbeschwerde für unbegründet, weil die Beschränkung des Gesellschafterkreises in § 59e I 1 BRAO auf natürliche Personen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei.27 27 BRAK-Stn.-Nr. 11/2019. Die BRAO-Reform lässt aus Sicht der BRAK28 28 BRAK-Stn.-Nr. 64/2021. zwar nicht die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde entfallen, sie erlaube aber das angestrebte Beteiligungsverhältnis weiterhin nicht und bleibe daher unbegründet. Pauschalierte Lohnsteuer Ferner äußerte sich die BRAK zu Fragen der pauschalisierten Lohnsteuer auf bestimmte Zukunftssicherungsleistungen. Diese hatte der BFH dem BVerfG wegen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit von § 40b IV EStG in der durch das Jahressteuergesetz 2007 geltenden Fassung vorgelegt.29 29 BRAK-Stn.-Nr. 6/2022; s. dazu Nachr. aus Berlin 3/2022 v. 9.2.2022. Belehrung über Pflichtverteidiger Darüber hinaus wurde die BRAK als Drittbeteiligte in einem Verfahren vor dem EGMR zugelassen, in dem es um die Belehrung eines Beschuldigten über sein Recht auf einen Pflichtverteidiger geht. Dem Beschwerdeführer und mehreren Mitbeschuldigten wurde ein Tötungsdelikt vorgeworfen. Sie waren bei der polizeilichen Vernehmung zwar über ihr Schweigerecht und ihr Recht auf anwaltliche Vertretung belehrt worden, nicht aber über ihr Recht auf eine Pflichtverteidigung. Im gerichtlichen Verfahren wurden die Aussagen aller Beschuldigten verwertet. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Aussagen seien wegen der fehlerhaften Belehrung nicht verwertbar und die Aussagen der Mitangeklagten und Belastungszeugen hätten nicht gegen ihn verwendet werden dürfen, weil er sie nicht habe konfrontieren können. In ihrem Antrag auf Drittbeteiligung30 30 EGMR Antrag Nr. 57818/18 (englisch). hat die BRAK die besondere Bedeutung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 I EMRK) und auf eine effektive Verteidigung (Art. 6 III lit. c EMRK) betont. Die Präsenz eines (Pflicht-) Verteidigers gerade bei der ersten Vernehmung sei konstituierend für Waffengleichheit und ein elementarer Bestandteil des Verteidigungsrechts. Dass die Aussagen der Mitbeschuldigten durch Vernehmung der diese vernehmenden Polizeibeamten eingeführt und verwertet wurden, untergrabe das Konfrontationsrecht und stelle es zur Disposition durch die Strafverfolgungsbehörden. Das Beschwerdeverfahren hat aus Sicht der BRAK Bedeutung für das generelle Verständnis der Fairness eines Strafprozesses, insb. für die Frage der umfassenden Belehrung des Beschuldigten und der Effektivität der Verteidigungsgarantien. INFORMATIONEN DER BRAK Der BRAK-Ausschuss Steuerrecht hat sein Steuer-ABC für Anwältinnen und Anwälte31 31 ABC – Steuerfragen für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. um mehrere aktuelle Punkte ergänzt: doppelte Haushaltsführung, häusliches Arbeitszimmer sowie Bewirtungskosten.32 32 Zu Bewirtungskosten s. auch Wagner, BRAK-Mitt. 2022, 15 sowie Minnerup, BRAKMagazin 1/2022, 17. Das SteuerABC stellt sämtliche Publikationen des Ausschusses Steuerrecht überblicksartig dar, um sie für Recherchen leichter zugänglich zu machen. Das Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts, das am 1.8.2021 in Kraft trat, brachte auch einige für Anwältinnen und Anwälte relevante Veränderungen. Angepasst wurden u.a. die Regelungen für Vertretungen in §§ 53, 54 BRAO und für die Abwicklung einer Kanzlei in § 55 BRAO. Unter anderem muss eine Vertretung erst bei zweiwöchiger Abwesenheit von der Kanzlei bestellt werden und man muss ihr Zugriff auf das eigene beA einräumen. Der BRAK-Ausschuss Abwickler/ Vertreter hat seine Handlungshinweise für die Tätigkeit des Vertreters33 33 Hinweise für die Tätigkeit des Vertreters (Stand: 2022). und des Abwicklers34 34 Hinweise für die Tätigkeit des Abwicklers (Stand: 2022). überarbeitet und an die neue Rechtslage angepasst. Aktualisiert wurde zudem das Abwicklerlexikon.35 35 Abwicklerlexikon (Stand: 2022). Es enthält Erläuterungen zu zahlreichen Stichworten im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Kanzleiabwicklers i.S.v. § 55 BRAO. PODCASTS DER BRAK Im Berichtszeitraum erschienen mehrere neue Folgen des Podcasts „(R)ECHT INTERESSANT“ als Serie zu strafrechtlichen Themen.36 36 S. die Übersicht auf S. XVI (Aktuelle Hinweise). Der Podcast wurde durch das Online-Magazin „JURios“ zum besten Jura-Podcast des Jahres 2021 in der Kategorie 3 (weitere Jura-Podcasts) gekürt.37 37 Alle Gewinner des Podcastpreises unter https://jurios.de/2022/01/02/jura-podcas t-preis-2021-die-gewinnerinnen/. Zudem erschienen auch mehrere Folgen des internationalen BRAK-Podcasts „One World – One Legal ProfesAUS DER ARBEIT DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 AUS DER ARBEIT DER BRAK 90

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