BRAK-Mitteilungen 2/2022

Das OLG sieht – wie bereits das LG – keine Beratungspflichtverletzung. Es weist zunächst auf den häufig übersehenen Punkt hin, dass der Beratung die Sachlage im Beratungszeitpunkt zugrunde liegen muss. Im Hinblick auf das Zulassungsverfahren, aber auch auf das Strafverfahren war eine prognostische Einschätzung zu treffen. Aus damaliger Sicht erschien es wahrscheinlich, dass die ohne den erklärten Verzicht auf die Zulassung durchzuführende Aufklärung der Vorwürfe zu einer Entziehung führen und diese die Wiederzulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erheblich erschweren würde. Die Entscheidung des Sozialgerichts zwei Jahre später und die Einstellung des Strafverfahrens vier Jahre nach der Beratung waren nicht vorhersehbar, machen die Prognose also nicht im Nachhinein unrichtig. Das OLG beschäftigt sich aber auch noch mit dem behaupteten Schaden, der aus der Veräußerung der kassenärztlichen Praxis hätte erzielt werden sollen. Wie so häufig wollte der Kläger Rosinen picken und ließ außer Kalkül, dass er ja stattdessen eine Praxis in RheinlandPfalz weiterführte. In diesen Fällen muss ein Gesamtvermögensvergleich angestellt werden. Dass die neue Praxis „unterm Strich“ weniger wert war als die alte, konnte er nicht darlegen, so dass kein kausaler Schaden anerkannt wurde. (ju) VERJÄHRUNG VON RÜCKFORDERUNGSANSPRÜCHEN GEGEN DEN AKZESSORISCH HAFTENDEN ANWALT EINER AUFGELÖSTEN ANWALTS-GbR 1. Der Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses für die Gebühren eines Rechtsanwalts entsteht aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung des Vorschusses (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 143/18, WM 2019, 738). 2. Die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters einer aufgelösten Gesellschaft verjährt auch dann in fünf Jahren, wenn die Gesellschaftsschuld einer kürzeren Verjährung unterliegt. BGH, Urt. v. 16.12.2021 – IX ZR 81/21, WM 2022, 230 = ZInsO 2022, 346 Klägerin in diesem Verfahren ist eine Rechtsschutzversicherung, die im Jahr 2016 für ihre Mandantin an deren Anwälte – seinerzeit in der Rechtsform einer GbR praktizierend – einen Vorschuss für eine mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht zahlte. Nach kurz darauf erfolgter Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mandantin teilten die Anwälte dem Rechtsschutzversicherer mit, dass es zur Wahrnehmung des Gerichtstermins absehbar nicht mehr kommen würde. Es erfolgte außerdem ein Hinweis darauf, dass sich die Rechtsanwaltskanzlei aufgelöst habe und als solche nicht mehr existiere. Erst durch Mahnbescheid im Februar 2019 und Klagebegründung im Juni 2020 hat der Rechtsschutzversicherer dann seine Ansprüche gegen den beklagten Anwalt persönlich gerichtlich verfolgt. Dieser erhob die Einrede der Verjährung. Der BGH bestätigt die Vorinstanzen in dem Ansatz, dass Anspruchsgrundlage für die Rückforderung die §§ 675, 667 BGB, für den Rechtsschutzversicherer dann i.V.m. § 86 VVG, sei. Dieser Anspruch existiere bereits mit Zahlung des Vorschusses, entstehe aber i.S.d. § 199 BGB erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung, die darin bestehe, dass der Vorschuss für die Deckung des später fällig werdenden Vergütungsanspruchs nicht benötigt wird. Bedingungseintritt war dementsprechend hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mit der der durch den Schuldner erteilte Auftrag erloschen sei. In einem ersten gedanklichen Schritt ist festzuhalten, dass der Anspruch gem. § 199 BGB im Jahr 2016 entstand (Kenntnis vorausgesetzt) und so also Ende 2019 verjährt gewesen wäre. Diese Frist wäre noch durch den rechtzeitigen Mahnbescheid und die Weiterverfolgung nach zunächst eingetretenem Stillstand des Verfahrens wirksam gehemmt worden. Überlagert wird diese Verjährungsfrist durch § 159 HGB, wenn sich der Anspruch gegen eine inzwischen aufgelöste Gesellschaft und deren akzessorisch haftende Gesellschafter richtet. Der BGH erläutert, dass sich der Rückzahlungsanspruch grundsätzlich gegen die GbR richte. In Rede stehe hier lediglich die akzessorische Haftung, also die Gesellschafterschuld. Auf eine Verjährung gegen die Anwalts-GbR könne sich der Beklagte aber nicht berufen. Grundsätzlich sehe § 159 HGB eine fünfjährige taggenaue Verjährungsfrist ab dem Tag der Eintragung der Auflösung ins Handelsregister vor. Da bei der GbR keine Eintragung ins Register erfolge, sei die Kenntnis des Gläubigers von der Auflösung entscheidend. Der BGH stellt nun klar, dass § 159 I Hs. 2 HGB nicht die dem Gesellschafter der aufgelösten Gesellschaft zustehende Verjährungseinrede betrifft. Anders ausgedrückt: Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB nun gem. § 159 I Hs. 2 HGB taggenau mit Kenntnis von der Gesellschaftsauflösung beginnt. Vielmehr wurde in diesem Zeitpunkt nur die fünfjährige Frist des § 159 I HBG in Lauf gesetzt. Zwar wurde die dreijährige Verjährungsfrist gegen die Gesellschaft, die ab dem 1.1.2017 lief, nicht unmittelbar der Gesellschaft gegenüber gehemmt. Mahnbescheid und Weiterverfolgung der Ansprüche im Hinblick auf die gegen ihn bestehenden akzessorischen Ansprüche waren aber rechtzeitig erfolgt. In diesem Fall kann er sich nach ständiger Rechtsprechung nicht darauf berufen, die Ansprüche gegen die Gesellschaft seien bereits verjährt.2 2 BGH, Urt. v. 22.3.1988 – X ZR 64/78, BGHZ 104, 76. Was hier für die Rückforderung von Honorarvorschüssen durch den BGH klargestellt wurde, gilt dann sicher auch bei Regressansprüchen in gleicher Weise. (bc) AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 83

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