BRAK-Mitteilungen 2/2022

enthält. Aus der Eigenschaft der Rechtsanwaltskammer als Selbstverwaltungskörperschaft, die als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung auch hoheitliche Kompetenzen ausübt, folgt jedoch, dass die Bildung ihrer Organe demokratischen Grundsätzen genügen muss. Den Organen einer Kammer ist es aus diesem Grund untersagt, in amtlicher Eigenschaft mehr als nur unerheblich Einfluss auf die Willensbildung zu nehmen und die Chancengleichheit der Bewerber zu verletzen. Ein unzulässiger parteiergreifender Charakter und damit ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot ist dann gegeben, wenn der Rechenschaftsbericht eines Präsidenten – offen oder versteckt – für Vorstandsbewerber wirbt oder sich mit negativem Akzent oder gar herabsetzend über andere Wahlbewerber äußert. 4. VERSICHERUNGSBEITRÄGE ALS ARBEITSLOHN In gleich zwei Fällen hatte sich der BFH22 22 BFH, BRAK-Mitt. 2021, 203 m. Anm. Mehren. mit der Frage zu befassen, wie es sich steuerlich auswirkt, wenn der Arbeitgeber die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung seiner angestellten Berufsträger übernimmt. Er stellte klar, dass die Einbeziehung eines angestellten Rechtsanwalts in die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung einer Sozietät in Höhe des Prämienanteils, der auf die in § 51 IV BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt, zu Arbeitslohn führt, wenn der angestellte Anwalt erst durch den Einbezug in die Sozietätsversicherung seiner Versicherungspflicht nach § 51 I 1 BRAO genügt. Haftet der angestellte „Briefkopfanwalt“ im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung, ist seine Einbeziehung in den über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz der Sozietät allein dieser aus versicherungsrechtlichen Gründen geschuldet. Der hierauf entfallende Prämienanteil führt daher nicht zu Arbeitslohn. Ebenfalls zu Arbeitslohn führt die Übernahme der Umlage für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs eines angestellten Berufsträgers durch den Arbeitgeber. Zu gleichen Ergebnissen sind die Gerichte bereits im Zusammenhang mit Kammerbeiträgen bzw. Mitgliedsbeiträgen im Deutschen Anwaltverein gekommen. PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS * Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chabist Leitender Justiziar bei der Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in München. In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentieren die Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungen zum anwaltlichen Haftungsrecht. HAFTUNG PFLICHTEN BEIM VERGLEICHSABSCHLUSS Ein Rechtsanwalt hat bei dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs auf eine richtige und vollständige Niederlegung des Willens seines Mandanten zu achten und für einen möglichst eindeutigen und nicht erst der Auslegung bedürftigen Wortlaut zu sorgen (Fortführung von BGH, Urt. v. 17.1.2002 – IX ZR 182/00). BGH, Urt. v. 16.12.2021 – IX ZR 223/20, VersR 2022, 318 Der beklagte Anwalt wird hier nicht von seinem Mandanten, sondern aus abgetretenem Recht von dessen privatem Krankenversicherer auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Anwalt schloss in einem für den Mandanten geführten Arzthaftungsprozess einen Abgeltungsvergleich, durch den alle Ansprüche des geschädigten Mandanten, ob bekannt oder unbekannt, gegenwärtig oder zukünftig, materiell oder immateriell, abgegolten wurden, „soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind“. Der Versicherer wirft dem Anwalt vor, versäumt zu haben, einen Vorbehalt für künftig auf den Versicherer übergehende Forderungen in den Vergleich aufzunehmen, weswegen diese nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Das LG wies die Regressklage gegen den Anwalt ab, das OLG gab ihr dagegen statt. Auf die vom OLG zugelassene Revision des Anwalts hob der BGH das OLG-Urteil auf und wies die Klage ab. Zwar habe der Anwalt bei der Formulierung des Vergleichs eine Pflichtverletzung begangen; hierdurch sei aber kein kausaler Schaden verursacht worden. Ein Anwalt, der bei einer Vertragsgestaltung mitwirkt, habe bei der Abfassung des Vertragstextes für eine richtige und vollständige Niederlegung des Willens seines Mandanten und für einen möglichst eindeutigen und nicht erst der Auslegung bedürftigen Wortlaut zu sorgen. Bei einem Abfindungsvergleich bestünden für den Mandanten besondere Risiken. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Abgeltung sich auch auf künftige, zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch unbekannte Schäden erstrecke. Der Anwalt müsse nach dem Gebot des JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 81

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