BRAK-Mitteilungen 2/2022

schwägert sind oder waren. Entsprechendes gilt für die Lebenspartner einer Partei oder denjenigen, mit dem die Partei ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen. Im Verwaltungsverfahren erstreckt sich der Schutzumfang nur auf das Recht zur Auskunftsverweigerung. Bei mehreren Fragen kann das Recht auch nur für solche Fragen gelten, bei denen die Voraussetzungen der Auskunftsverweigerung erfüllt sind. Stellt sich heraus, dass Fragen zu Unrecht nicht beantwortet wurden, kann dagegen nach § 56 I Nr. 73 GwG bußgeldrechtlich vorgegangen werden, da die Auskunft nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben wurde. b) KEINE VERWEIGERUNG DER VORLAGE VON UNTERLAGEN Während im Hinblick auf die Auskunft den verpflichteten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach § 52 IV GwG ein Auskunftsverweigerungsrecht im Sinne der Selbstbelastungsfreiheit zusteht, sieht § 52 IV GwG eine entsprechende Regelung für die Verweigerung der Vorlage von Unterlagen nicht vor. Die Regelung ist insoweit eindeutig. Die zur Mitwirkung Verpflichteten nach § 52 I GwG und Personen nach § 52 VI GwG sind daher nicht berechtigt, die Vorlage von Unterlagen oder eine Prüfung zu verweigern – und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Aufzeichnungen später als Beweismittel für die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit dienen können. Eine Prüfung muss in jedem Fall geduldet werden.7 7 Vgl. VG Berlin, NJW 1988, 1105, 1106 f.; Hartung, NJW 1988, 1070,1071; Wende/Thirmeyer, in Zentes/Glaab, GwG, § 52, Rn. 20. Eine weite Auslegung zu Gunsten des Verpflichteten würde schon gegen den Wortlaut der Norm sprechen. Eine entsprechende Ergänzung der Regelung im Rahmen der Gesetzesanwendung ist methodisch auch vor dem Hintergrund eines eventuell drohenden Strafverfahrens nicht begründbar. Die Rechtsprechung hat diese umfassenden Mitwirkungspflichten non-verbaler Art unter dem Aspekt der Selbstbelastungsfreiheit bislang nicht beanstandet.8 8 Vgl. z.B. BVerfG, NJW 1981, 1087; NJW 1982, 563. Der notwendige Schutz der Betroffenen sei bereits durch das Auskunftsverweigerungsrecht gewährleistet. Hinsichtlich der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten bestehe keine Zwangslage, da von dem Betroffenen erwartet werden könne, dass er die Begehung von Straftaten unterlässt; dies gilt im besonderen Maße für die der Aufsicht der Rechtsanwaltskammern unterliegenden nach dem GwG verpflichteten Rechtsanwälte. Auch eine natürliche Person kann dementsprechend, sei es als Verpflichteter, Mitglied eines Organs oder Beschäftigter, auf der Basis des § 52 IV GwG verpflichtet werden, bestimmte Unterlagen herauszugeben, selbst wenn sie sich mit der Herausgabe der Unterlagen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aussetzt. Da die Unterlagen im Sinne des GwG erstellt werden, unterliegen sie dem öffentlichen Geldwäschepräventionsinteresse. Die Rechtsanwaltskammer ist dementsprechend in jedem Fall berechtigt, insbesondere die Dokumentation der Risikoanalyse gem. § 5 GwG, der Identifizierungspflicht gem. §§ 8 II 2, 10 I Nr. 1, 11 ff. GwG sowie der konkreten Risikobewertung im Einzelfall gem. §§ 8 I Nr. 2, 10 II, 14 I, 15 II GwG zu überprüfen und sich vorlegen zu lassen. c) KOLLISION MIT DEM NEMO-TENETUR-PRINZIP Die Vereinbarkeit außerstrafrechtlicher Mitwirkungspflichten mit dem nemo-tenetur-Prinzip ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erstmals im sog. Gemeinschuldnerbeschluss des BVerfG aus dem Jahr 1981 problematisiert worden.9 9 BVerfG, NJW 1981, 1431; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1827. Das BVerfG stellte zunächst fest, dass jede zwingbare Auskunftspflicht einen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I GG darstelle und hob hervor, dass das nemo-tenetur-Prinzip zu den Grundsätzen eines rechtsstaatlich geführten Strafprozesses gehöre und Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung sei, die auf dem Leitgedanken der Achtung, der Menschenwürde nach Art. 1 I GG beruhe. Dennoch sei eine uneingeschränkte Auskunftspflicht im Verwaltungsverfahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für den im Verwaltungsverfahren Auskunftspflichtigen könne nicht das gleiche gelten wie für einen Beschuldigten in einem Straf- oder Bußgeldverfahren, weil seine Rechte ihre Grenzen in den Rechten der weiteren Beteiligten fänden, die auf seine Auskünfte angewiesen seien. Es sei allerdings mit der Menschenwürde nach Art. 1 I GG unvereinbar, wenn der im Verwaltungsverfahren Auskunftspflichtige dadurch gleichzeitig die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder eine ähnliche Sanktion liefern müsse, weil das im Strafverfahren eingeräumte Schweigerecht „illusorisch“ wäre, wenn die im außerstrafrechtlichen Verfahren erzwungene Selbstbelastung im Strafverfahren gegen den Betroffenen verwendet werden könne. Deshalb müsse für derartige selbstbelastende Aussagen ein strafrechtliches Verwertungsverbot gelten.10 10 Vgl. BVerfG, NJW 1981, 1431; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1827. Im Ergebnis darf die selbstbelastende Aussage daher nicht gegen den Willen des Betroffen „zweckentfremdet“ und im Rahmen der Strafverfolgung verwertet werden.11 11 Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1827. Die Anerkennung der gesetzlichen Aufzeichnungs-, Dokumentations- und Vorlagepflichten durch die obergerichtliche Rechtsprechung12 12 Vgl. z.B. BVerfG, NJW 1981, 1087; NJW 1981, 1431; NJW 1982, 563. begegnet bereits aus praktischen Erwägungen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bestünde die Pflicht in den Fällen möglicher Selbstbezichtigung nicht, könnte der Betroffene entscheiden, berechtigte staatliche Überwachungsinteressen gerade dort einzuschränken, wo diesen besonderes Gewicht zukommt.13 13 Vgl. Rogall, in SK-StPO, Vorb. § 133 Rn. 146; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1828. Ohne die Mitwirkung der Verpflichteten nach KOCH, MITWIRKUNGSPFLICHT VERSUS SELBSTBELASTUNGSFREIHEIT UND VERSCHWIEGENHEIT BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 AUFSÄTZE 70

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