BRAK-Mitteilungen 1/2022

noch eine Zweigstelle. Die beworbene Schuldnerberatung findet nicht vor Ort in Köln statt. Die Formulierung „Schuldnerberatung Köln“ ist eine Angabe, die sich in erster Linie auf ein wesentliches Merkmal der angebotenen Leistung bezieht, da sie die räumliche Verfügbarkeit und die Ausführung der Schuldnerberatung betrifft (§ 5 I 2 Nr. 1 UWG). Gleichzeitig bezeichnet die Angabe aufgrund des enthaltenen Ortbezugs ein wesentliches Merkmal des Unternehmens, da mit ihr auch auf den Sitz des Unternehmens Bezug genommen wird (§ 5 I 2 Nr. 3 UWG). Mithin liegt ein Verstoß gegen § 5 I 2 Nr. 1 und 3 UWG vor. b) Die Irreführung ist auch von wettbewerblicher Relewettbewerbliche Relevanz vanz und zur Beeinflussung der Marktentscheidung geeignet. Nach § 5 I UWG ist eine irreführende geschäftliche Handlung nur unlauter, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Erforderlich ist, dass die Werbung geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 30 – Tiegelgröße). Wie vorstehend ausgeführt erwartet der Verkehr aufgrund der Werbeanzeige, eine in Köln tätige Schuldnerberatung vorzufinden. Im Hinblick auf die Art der angebotenen Dienstleistung kommt der Möglichkeit einer persönlichen Beratung an dem angegebenen Standort besondere Bedeutung zu. Das gilt insbesondere, aber nicht nur, wenn im Internet gezielt ortsbezogen danach gesucht wird. Die Irreführung des angesprochenen Verkehrs über den Ort der Erbringung der Schuldnerberatung ist daher dazu geeignet, einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs dazu zu bewegen, sich dem Angebot der Ag. zuzuwenden. c) Die für den Unterlassungsanspruch nach § 8 I UWG erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Das ergibt sich bereits aus dem vorliegenden Erstverstoß. Die Ag. hat auf die Abmahnung des Ast. insoweit keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, sodass die Wiederholungsgefahr fortbesteht. Mithin ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 I 1, III Nr. 1, 3 I, 5 I 2 Nr. 1 und 3 UWG begründet. II. Das Vorgehen des Ast. erweist sich – entgegen der Ansicht der Ag. – nicht als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 IV UWG. Die diesbezüglich darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Ag. hat nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Rechtsverfolgung rechtsmissbräuchlich wäre. Eine Gesamtschau der vorgetragenen Tatsachen lässt nicht den Schluss zu, dass die Rechtsverfolgung des Ast. überwiegend oder ausschließlich auf sachwidrigen Erwägungen beruht. 1. Ein Rechtsmissbrauch gem. § 8 IV UWG liegt vor, Kein Rechtsmissbrauch wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die sachfremden Ziele müssen nicht die einzigen Gründe für das fragliche Vorgehen sein, sie müssen jedoch überwiegen (BGH, GRUR 2019, 199 Rn. 21 – Abmahnaktion II). Als Beispielfall eines sachfremden Motivs nennt § 8 IV UWG das Gebührenerzielungsinteresse. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder jedenfalls ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt (BGH, GRUR 2001, 260, 261). Geht es dem Anspruchsberechtigten hauptsächlich um die Unterbindung unlauteren Wettbewerbs, genügt es für die Begründung des Missbrauchstatbestand hingegen nicht, wenn auch sachfremde Motivationen, ohne vorherrschend zu sein, bei der Anspruchsverfolgung eine Rolle spielen (BGH, GRUR 2001, 82). Das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen (BGH, GRUR 2001, 354, 355). Anhaltspunkte bilden etwa die Art und Schwere der Zuwiderhandlung und das Verhalten des Anspruchsberechtigten bei der Rechtsverfolgung (BGH, GRUR 2000, 1089, 1091). 2. Mit dem LG geht der Senat davon aus, dass die vorliegenden Umstände nicht den Schluss erlauben, dass das Vorgehen des Ast. als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre. Der Ast. hat ein nachvollziehbares wirtschaftliches und wettbewerbliches Interesse daran, die Werbetätigkeit der Ag. verbieten zu lassen, denn er ist unmittelbarer Wettbewerber der Ag. Er hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er über die notwendigen personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen zur Erbringung seiner anwaltlichen Dienstleistungen im Bereich der Schuldnerberatung verfügt und dies auch im Hinblick auf die von ihm unterhaltenen Zweigstellen seiner Kanzlei gilt. Dazu ist es entgegen der Ansicht der Ag. nicht erforderlich, dass er an jedem dieser Sitze eigene Büroräumlichkeiten unterhält. Es genügt auch, wenn er auf entsprechende Räumlichkeiten von entsprechenden Dienstleistern (...) zugreifen und vor Ort tätig werden kann. Die Ag. hat weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass der Ast. die vorliegende Auseinandersetzung allein oder überwiegend in dem Interesse geführt hat, um dem Antragsstellervertreter eine Einnahmequelle zu verschaffen. Ein derartiger RückWERBUNG BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 43

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