BRAK-Mitteilungen 1/2022

Gleichwohl legt der begrenzte Anwendungsbereich des § 43a V BRAO n.F. nahe, dass für Referendare außerhalb der Anwaltsstation und wissenschaftliche Mitarbeiter auch dann kein Tätigkeitsverbot greift, wenn sie entgegen der gesetzgeberischen Prämisse doch vollumfänglich in das Mandat eingebunden werden. Zudem spricht viel dafür, in diesem Fall auch nicht über die „Hintertür“ des § 43a VI BRAO n.F. oder des § 45 I Nr. 3 BRAO n.F. (dazu auch II.) ein Tätigkeitsverbot zu Lasten dieses Personenkreises zu begründen, zumal es fragwürdig wäre, im Rahmen der Ausbildung erfolgende Tätigkeiten als „beruflich“ zu qualifizieren.56 56 Diller, AnwBl. 2021, 470, 472; Deckenbrock, DB 2021, 2270, 2271; Deckenbrock/ Lührig, AnwBl. 2022, 37, 38; vgl. auch Offermann-Burckart, AnwBl. 2022, 90, 91. Dies gilt umso mehr, als die Anwendung des § 45 I Nr. 3 BRAO n.F. auf diese Sachverhalte es sogar mit sich brächte, dass ein hieraus herrührendes Tätigkeitsverbot nach § 45 II BRAO n.F. sozietätsweit zu erstrecken wäre. Für die Sitzung der Satzungsversammlung am 6.12. 2021 hatte der zuständige Ausschuss 2 folgenden Vorschlag vorbereitet: „§ 43a V 2 BRAO gilt auch für eine frühere Tätigkeit als Referendar in Nebentätigkeit oder wissenschaftlicher Mitarbeiter ohne Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.“ Der Ausschuss verwies in seiner Begründung darauf, dass nach der Neuregelung des § 43a V BRAO n.F. „eine Vorbefassung als Stationsreferendar nach der späteren Zulassung zur Anwaltschaft für die Bearbeitung des gegenläufigen Mandats sperrt, hier aber keine Sozietätserstreckung stattfindet. Hier verlässt sich der Gesetzgeber also im Interesse der beruflichen Mobilität junger Juristen auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht. Die sachgerechte Regelung des § 43a V BRAO n.F. soll im Interesse größtmöglicher Mobilität junger Kollegen entsprechend gelten für andere juristische Zuarbeit ohne Anwaltszulassung.“57 57 SV-Mat. 37/2021, 2. Dieser Vorschlag beruht offenbar auf einer abweichenden Interpretation der Rechtslage. Teile der Satzungsversammlung deuten die Gesetzesbegründung nämlich im umgekehrten Sinn und gehen davon aus, dass § 45 I Nr. 3 i.V.m. II BRAO n.F. entgegen der hier vertretenen Auffassung alle sonstigen Fälle erfasst, sofern der (nicht zugelassene) Mitarbeiter nicht nur Hilfstätigkeiten erbringt. In diese Richtung geht auch eine Äußerung von Münch, der Leiterin des für das anwaltliche Berufsrecht zuständigen Referats im BMJ, in der Sitzung der Satzungsversammlung am 6.12.2021.58 58 SV-Mat. 02/2022, 17 f. („für Referendare außerhalb der Anwaltsstation in Nebentätigkeit und für wissenschaftliche Mitarbeiter gelte das Tätigkeitsverbot des § 45 I Nr. 3 BRAO n.F.). Möglicherweise lässt sich BT-Drs. 19/27670, 168 in diese Richtung deuten (der Verweis auf „§ 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO-E“ ergibt allerdings keinen Sinn). Bei einem solchem Verständnis würde der Stationsreferendar durch die Regelung des § 43a V 2 BRAO n.F. privilegiert und gerade nicht strenger behandelt als andere nichtanwaltliche Mitarbeiter. Für eine derartige Bevorzugung des Stationsreferendars, den anders als sonstige Mitarbeiter allein ein persönliches (nicht sozietätsweites) Tätigkeitsverbot träfe, ließe sich anführen, dass eine möglichst hochwertige Referendarausbildung im Rahmen der Anwaltsstation (und ggf. der Wahlstation) im allgemeinen Interesse liegt und es deshalb angezeigt ist, keine Hürden für die Zukunft des in die Mandatsarbeit eingebundenen Stationsreferendars zu errichten. Außerhalb der Anwaltsstation müsste dann durch den (ausbildenden) Anwalt bzw. die (ausbildende) Berufsausübungsgesellschaft die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten im Mandanteninteresse (vollumfänglich) sichergestellt werden.59 59 Vgl. BT-Drs. 19/27670, 165. Die Idee hinter dem in die Satzungsversammlung eingebrachten Vorschlag war es nun, einen Gleichklang zu schaffen und auch für diejenigen Tätigkeitsverbote, die auf eine relevante Vorbefassung als „Referendar in Nebentätigkeit oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter ohne Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ zurückgehen, die sozietätsweite Erstreckung auszuschließen. So oder so erscheint es indes fraglich, ob die Satzungsversammlung eine entsprechende Regelungskompetenz hat.60 60 Vgl. die diesbezügliche Diskussion auf der Sitzung der SV am 6.12.2021, SV-Mat. 02/2022, 16 ff. Hält man mit der hier vertretenen Auffassung allein eine Vorbefassung des Stationsreferendars für relevant, würde mithilfe der vorgeschlagenen Ergänzung mittelbar über § 43a V 1 BRAO n.F. hinaus ein persönliches Tätigkeitsverbot für sonstige juristische Mitarbeiter begründet. Geht man dagegen davon aus, dass nach der Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich jede Vorbefassung eines juristischen Mitarbeiters, die über die bloße Erbringung von Hilfstätigkeiten hinausgeht, relevant ist, würde über die ursprünglich geplante Fassung des § 3 BORA n.F. die Sozietätsklausel des § 45 II BRAO n.F. eingeschränkt. Beides ginge über eine Konkretisierung, wie sie der Satzungsversammlung in § 59a BRAO n.F. zugestanden wird, hinaus. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Satzungsversammlung jedenfalls zunächst auf die Abstimmung über die ins Auge gefasste Ergänzung wegen Bedenken an der Satzungskompetenz verzichtet hat. Denn richtigerweise kann nur der Gesetzgeber selbst die Gleichbehandlung bei Vorbefassung von in die Mandatsbearbeitung eingebundenen Stationsreferendaren und sonstigen juristischen Mitarbeitern anordnen. Dies sollte er aber sachgerechterweise bei nächster Gelegenheit nachholen.61 61 Vgl. auch den Vorschlag von Henssler, AnwBl. Online 2021, 51, 66. b) AUSNAHME VON DER SOZIETÄTSWEITEN ERSTRECKUNG Außerdem wurden in § 43a IV 4 BRAO n.F. die Voraussetzungen neu geregelt, unter denen die sozietätsweite Erstreckung des Tätigkeitsverbots ausnahmsweise vermieden werden kann. Wie schon nach geltendem Recht müssen sich die betroffenen Mandanten nach umfassender Information mit der Doppelvertretung einverstanden erklären. Aus dem Gesetz ergibt sich nun, dass nur eine in Textform erteilte Zustimmung von Relevanz ist. Bislang war Textform nur eine Soll-Vorgabe (vgl. § 3 II 3 BORA),62 62 Dazu Henssler, in Henssler/Prütting, § 3 BORA Rn. 31 ff. weil es der Satzungsversammlung wichtig DECKENBROCK, EINIGE BEMERKUNGEN ZUR NEUFASSUNG VON § 3 BORA BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 AUFSÄTZE 12

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