BRAK-Mitteilungen 5/2021

tretenen Forderungen ausschließlich oder vorrangig in Form eines sog. „Sammelklage-Inkasso“ gerichtlich ein- gezogen werden sollen. [13] a) In Rechtsprechung und Literatur herrscht Unei- Uneinigkeit in Rechtsprechung und Literatur nigkeit darüber, ob das sog. „Sammelklage-Inkas- so“, bei dem sich das Inkas- sodienstleistungsunterneh- men eine Reihe von Forde- rungen, die sich gegen denselben Schuldner richten und die im Wesentlichen gleichgelagerten Lebenssach- verhalten entspringen, abtreten lässt, um sie gebündelt geltend zu machen, dann keine Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 II RDG mehr darstellt, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass der Schuldner zu einer außer- gerichtlichen Regulierung nicht bereit sein wird und das Geschäftsmodell demnach, jedenfalls vorrangig, auf eine gerichtliche Geltendmachung der abgetretenen Forderung gerichtet ist. [14] Nach einer Auffassung überschreitet ein nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG registriertes Unternehmen seine Inkasso- dienstleistungserlaubnis, wenn sich die gegenüber dem Kunden übernommenen Pflichten ausschließlich bzw. bei realistischer Betrachtung vorrangig auf eine gericht- liche Durchsetzung der Ansprüche richten (vgl. LG Mün- chen I, AnwBl. Online 2020, 284, 295 ff.; LG Hannover, Urt. v. 4.5.2020 – 18 O 50/16 juris Rn. 151; Urt. v. 1.2. 2021 – 18 O 34/17 juris Rn. 274 ff.; LG Augsburg, Urt. v. 27.10.2020 – 11 O 3715/18, BeckRS 2020, 30625 Rn. 23 ff.; LG Ravensburg, Urt. v. 22.12.2020 – 1 O 112/20, BeckRS 2020, 37580 Rn. 42; LG Ansbach, Urt. v. 29.3.2021 – 3 O 16/21, BeckRS 2021, 6742 Rn. 40; LG Trier, Urt. v. 14.4.2021 – 5 O 549/20, BeckRS 2021, 9041 Rn. 42; LG Rottweil, Urt. v. 10.5.2021 – 2 O 525/ 20, BeckRS 2021, 12055 Rn. 69 ff.; Greger , MDR 2018, 897, 899; Henssler , NJW 2019, 545, 546 ff.; AnwBl. Online 2021, 180, 182 ff.; Mann/Schnuch , NJW 2019, 3477, 3480; Prütting , ZIP 2020, 49, 52; Dötsch, in De- ckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., Anh. § 1 Rn. 6a). [15] Nach der Gegenauffassung steht das RDG der Zu- lässigkeit von sog. Sammelklagen bzw. einem „Massen- inkasso“ nicht entgegen. Es sei anerkannt, dass Inkas- sounternehmen Forderungen auch gerichtlich geltend machen dürften, sofern sie sich eines Rechtsanwalts be- dienten (LG Braunschweig, WM 2020, 1743 Rn. 73 ff.; Fries , AcP 221 (2021), 108, 118; Krüger/Seegers , BB 2021, 1031, 1035; Petrasincu/Unseld , NZKart 2021, 280, 283; Römermann , AnwBl. Online 2020, 273, 274 f.; Stadler , JZ 2020, 321, 328; Tolksdorf , ZIP 2019, 1401, 1405; Deckenbrock, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 24c; Rillig , in Deckenbrock/Hens- sler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46j). Ob sie dies im Einzel- fall oder im Wege einer sog. „Sammelklage“ täten, sei kein entscheidender Gesichtspunkt ( Krüger/Seegers , BB 2021, 1031, 1033; Stadler , JZ 2020, 321, 328 f.). [16] b) Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Der Inkas- sobegriff der §§ 10 I 1 Nr. 1, 2 II 1 RDG umfasst Ge- schäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sog. „Sammelklage-Inkasso“. [17] aa) Weder dem Wortlaut noch der Systematik „Sammelklage- Inkasso“ unterfällt Inkassobegriff der §§ 1 I 1, 3 RDG lässt sich ein Ausschluss solcher Geschäftsmodelle entneh- men. [18] Die Legaldefinition der Inkassodienstleistung in § 2 II 1 RDG spricht weder von außergerichtlicher noch von gerichtlicher Forderungseinziehung. Das Gesetz verwendet den Ausdruck der außergerichtlichen Rechts- dienstleistung vielmehr in §§ 1 I 1, 3 RDG. Dort dient er allerdings nicht dazu, den Begriff der Rechts- bzw. In- kassodienstleistung einzuschränken. Vielmehr grenzt § 1 I 1 RDG formal den Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes von dem der einzelnen Verfahrensordnungen ab, die ihrerseits jeweils Vor- schriften zur Postulationsfähigkeit enthalten. Für den Zi- vilprozess finden sich diese in §§ 78 f. ZPO. Aus dieser formalen Abgrenzung der Anwendungsbereiche lassen sich für den materiellen Inhalt des Inkassobegriffs un- mittelbar keine zwingenden Rückschlüsse ziehen (vgl. Krüger/Seegers , BB 2021, 1031, 1035; Morell , ZWeR 2020, 328, 331 ff.; Petrasincu/Unseld , NZKart 2021, 280, 283; Römermann , AnwBl. Online 2020, 273, 275; Stadler , JZ 2020, 321, 328 f.). [19] Der Begriff der „außergerichtlichen Rechtsdienst- leistung“ in §§ 1 I 1, 3 RDG ist adressatenbezogen in dem Sinn zu verstehen, dass lediglich an das Gericht adressierte Handlungen nicht darunterfallen (BGH, Urt. v. 26.6.2013 – IV ZR 39/10, WM 2013, 1462 Rn. 42). Alle übrigen Rechtsdienstleistungen sind auch dann als außergerichtlich einzuordnen, wenn sie inhaltlich allein auf eine gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs ausgerichtet sind und nur in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheinen, wie etwa der Entwurf einer Klage- schrift (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts [im Folgenden: RegE RDG], BT- Drs. 16/3655, 45; Deckenbrock, in Deckenbrock/Hens- sler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 18). Es wird auch nicht in Fra- ge gestellt, dass registrierte Inkassodienstleister abge- tretene Forderungen im eigenen Namen auf fremde Rechnung und damit als Partei im gerichtlichen Verfah- ren geltend machen dürfen, sofern sie dabei anwaltlich vertreten sind (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/ 18, BGHZ 224, 89 Rn. 227 m.w.N.; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 54). Davon geht die Regelung über die gerichtliche Vertretung der registrier- ten Inkassodienstleister im Parteiprozess in § 79 I 2 Fall 2 i.V.m. II 1 Nr. 4 ZPO ohne Weiteres aus ( Morell , ZWeR 2020, 328, 333; Tolksdorf , ZIP 2019, 1401, 1405). Für den Anwaltsprozess gem. § 78 ZPO gilt nichts anderes ( Rillig, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46k). Wenn dem registrierten Inkasso- dienstleister die gerichtliche Geltendmachung einer For- derung erlaubt ist, sofern er einen Rechtsanwalt beauf- tragt, darf er sich im Inkassodienstleistungsvertrag hier- zu auch verpflichten ( Morell , ZWeR 2020, 328, 334; De- BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 312

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