BRAK-Mitteilungen 5/2021

er im Übrigen an seiner Doktorarbeit gearbeitet und ggf. die Möglichkeit gehabt hat, an den verbleibenden Tagen einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Zum einen ändert dies an der tatsächlich bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Bekl. nichts (vgl. BAG v. 30.8.2000 – 5 AZB 12/00 Rn. 14 juris). Zum anderen ist die wirtschaftliche Abhängigkeit nicht zwingend dadurch charakterisiert, dass die Ge- staltung des Vertragsverhältnisses den Dienstleisten- den derart beansprucht, dass er daneben keine nen- nenswerte weitere Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann. Eine Teilzeittätigkeit, die in ihrer Sozialtypik einem Teilzeitarbeitsverhältnis nahesteht, steht der Annahme einer Arbeitnehmerähnlichkeit daher nicht entgegen (vgl. LAG Köln v. 6.5.2005 – 4 Ta 40/05 Rn. 7 juris; vgl. auch Schwab/Weth , ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 5 Rn. 205: Auf Art und Umfang der geleiste- ten Dienste kommt es nicht an). [19] b) Der Kl. war nach der tatsächlichen Durchfüh- rung seiner Beschäftigung außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem als Arbeitnehmer ange- stellten Rechtsanwalt vergleichbar schutzbedürftig, Dies ergibt die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Dabei kann zu Gunsten der Bekl. davon aus- gegangen werden, dass der Kl. im Jahr 2015 nahezu ausschließlich eigene Mandate selbstständig betreut hat. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine ar- beitnehmerähnliche Person selbstständig ist und damit gerade nicht persönlich abhängig und nicht weisungs- gebunden. [20] aa) Der Kl. war nicht Partner einer Anwaltssozie- tät, die den berufsrechtlichen Anforderungen des § 59a I BRAO entsprochen hat. Die gemeinsame Berufsaus- übung ist das wesentliche Kriterium einer Anwaltssozie- tät. Sie dokumentiert sich dadurch, dass die Rechtsan- wälte eine gemeinsame Kanzlei unterhalten und nach außen gemeinsam auftreten (einheitlicher Briefkopf, einheitliches Praxisschild, einheitliche Kanzleibezeich- nung) sowie die Aufträge gemeinsam entgegenneh- men. Dazu gehört auch, dass die Honorare gemeinsam vereinnahmt werden ( Weyland/Brüggemann , 10. Aufl. 2020, BRAO § 59a Rn. 13). Diese Voraussetzungen la- gen offensichtlich nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kl. – wie im Fall der bereits zitierten Entschei- dung des BAG v. 15.4.1993 (2 AZB 32/92) – zur gleich- berechtigten Mitwirkung an der Personalpolitik oder zur Verfügung über das Sozietätskonto berechtigt war. Es wird von den Bekl. auch gar nicht behauptet, dass der Kl. Partner ihrer Anwaltssozietät war. [21] bb) Für die einem Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit Schutzbedürftigkeit spricht, dass der Kl. keine eigene Kanzlei hatte, sondern in der Kanzlei der Bekl. unter Verwendung der Kanzleires- sourcen der Bekl. gearbeitet hat (vgl. dazu, dass das Fehlen einer eigenen Betriebsorganisation und eigener Betriebsmittel für die vergleichbare soziale Schutzbe- dürftigkeit spricht, BAG v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18 Rn. 38 m.w.N.). Es ist weder ersichtlich, dass der Kl. Ar- beitgeberfunktionen wahrgenommen oder seinerseits wie ein Unternehmer im eigenen Namen Arbeitnehmer beschäftigt hat. [22] cc) Ganz wesentlich für die einem Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit spricht, dass der Kl. nach der tatsächlichen Durchführung der Beschäfti- gung seine Ansprüche auf Rechtsanwaltsgebühren in voller Höhe an die Bekl. abgetreten und von diesen le- diglich einen monatlichen Fixbetrag i.H.v. 1.534,58 Eu- ro netto erhalten hat. Er hat seine eigenen Mandate nicht auf eigene Rechnung betreut. Er war in wirtschaft- licher Hinsicht vielmehr einem gegen Festgehalt als Ar- beitnehmer beschäftigten Anwalt vergleichbar. [23] (a) Das Beschwerdegericht ist nach dem gesamten Fixvergütung Akteninhalt überzeugt da- von, dass der Kl. von den Bekl. durchweg – wie von ihm behauptet – einen monatlichen Fixbetrag i.H.v. 1.534,58 Euro netto erhalten hat und nicht, wie die Bekl. behaupten, den angenommenen Überschuss über die von ihm verbrauchten Kosten der Kanzlei monatlich in Rechnung gestellt oder gar der Bekl. berechnet hat, „... was er gewollt habe“. So haben die Bekl. zu 1. und 3. auf Seite 6 des Schriftsatzes v. 9.1.2019 in Bezug auf eine als Anlage zum Schriftsatz vorgelegte Rechnung des Kl. v. 22.12.2015 erklärt, dass der Kl. im gleichen System und in gleicher Weise abgerechnet habe, wie früher. Aus der vorgelegten Rechnung v. 22.12.2015 er- gibt sich, dass der Kl. für seine geleisteten Dienste netto 1.534,58 Euro nebst 19 % MwSt i.H.v. 291,57 Euro in Rechnung gestellt hat, ohne dass dieser Betrag als Überschuss über verbrauchte Kanzleikosten ausgewie- sen und berechnet wird (...). Ferner hat der Kl. als Anl. K 12 eine Klageerwiderung der Bekl. zu 1. und 3. im Ver- fahren – 4 O 8601/17 vor dem LG Nürnberg-Fürth v. 21.3.2018 (in dem es um Ansprüche des Kl. aus den Vorjahren geht) vorgelegt, in der auf Seite 4 vorge- bracht wird, dass der Kl. den Bekl. durchgängig monat- lich 1.826,15 Euro brutto/1.534,58 Euro netto in Rech- nung gestellt und von ihnen bezahlt bekommen hat (...). Schließlich ergibt sich aus dem vom Kl. vorgelegten Sit- zungsprotokoll des OLG Nürnberg v. 14.1.2020 im Be- rufungsverfahren 14 U 1128/18, dass der Bekl. zu 3. bei der Parteivernehmung erklärt hat, dass er „das Fi- xum“ des Kl. mit diesem nicht ohne Rücksprache mit dem Bekl. zu 2. vereinbart habe und er sich an die Be- rechnungsgrundlagen des Fixums nicht mehr erinnern könne (...). Nach alldem bestehen für das Beschwerde- gericht keine Zweifel, dass der Kl. von den Bekl. durch- gängig einen monatlichen Fixbetrag i.H.v. 1.534,58 Eu- ro netto erhalten hat. [24] (b) Der Kl. hat mit der Fixvergütung von 1.534,58 Euro netto auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er nur im Rahmen einer Drei-Tage-Woche tätig war, ersichtlich keine Bezüge erzielt, wie sie für Ge- schäftsführer oder Vorstandsmitglieder typisch sind. Be- rücksichtigt man, dass der Kl. seine Versorgungsauf- SOZIETÄTSRECHT BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 309

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