BRAK-Mitteilungen 5/2021

Der BDIU sagt hierzu: „Anders als im Referentenent- wurf behauptet, ist es natürlich so, dass der Schuldner ausschließlich mit Inkassokosten belastet wird, die dem Auftraggeber bzw. Gläubiger in Form von Rechtsverfol- gungskosten tatsächlich angefallen sind. Wer anderes suggeriert und damit eine Branche unter Generalver- dacht stellt, steht in der Pflicht, dies auch zu belegen.“ 18 18 BDIU, Stn. zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Ver- braucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschut- zes im Inkassorecht, 1.11.2019, S. 5. Diese Frage wird im Regierungsentwurf ebenfalls er- kannt, indem festgestellt wird: „Auch wenn diese Tatsa- che unter Kennern der Branche unstreitig sein dürfte und wie oben dargelegt verschiedene Abrechnungsmo- delle bekannt sind, so fehlt es aber an konkreten Anga- ben dazu, in welcher Anzahl von Fällen welches Modell zur Anwendung kommt und welche genauen wirtschaft- lichen Auswirkungen dies hat, weil die Inhalte der ent- sprechenden Verträge zwischen Auftraggebern und In- kassodienstleistern nicht offengelegt werden. Zudem liegen keine genauen Zahlen dazu vor, in wie viel Fällen eine Einziehung erfolglos bleibt. Von BDIU und BFIF ge- nannt werden insoweit etwa 50 %, wobei jedoch nicht ganz klar ist, in welcher Weise hierbei (nur) teilweise er- folgreiche Beitreibungen enthalten sind und in welchem Umfang bei Letzteren auf die Hauptforderung oder die Inkassokosten gezahlt wurde.“ 19 19 BT-Drs. 19/20348, 40. Und genau hierin besteht die Problematik. Genaues über Aufwand und tatsächlichen Schaden weiß man nicht, da die zugrundliegenden Vereinbarungen nicht bekannt sind. In der Praxis werden keine Nachweise für Abrechnungen gegenüber Gläubigern oder Zahlungen von ihnen vorgelegt. Man ist darauf angewiesen, zu glauben, was behauptet wird. Aber zu diesem Innenver- hältnis erhält man keine Informationen. Es ist richtig, dass man sich hier in Spekulationen und Vermutungen verlieren kann. Und genau an dieser Stelle hätte für mehr Transparenz gesorgt werden müssen. Zum einen hätte festgestellt werden müssen, dass es nicht reicht, dass der Inkassodienstleister lediglich Kos- ten in Rechnung stellt (das bleibt ein „fiktiver Scha- den“), sondern der Gläubiger muss die Inkassokosten auch nachweislich bezahlt haben (Schaden als Vermö- genseinbuße). 20 20 Inkassowatch, BAG-SB, Stn. zum Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht v. 7.7.2020, S. 7. Hierzu hätten Nachweispflichten kon- kretisiert werden können. Es ist ein Rechtsanspruch der Verbraucher und Schuldner auf Offenlegung der kon- kreten Vergütungsvereinbarungen samt Zahlungsnach- weis zu schaffen. 21 21 Inkassowatch, BAG-SB, Stn. zum Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht v. 7.7.2020, S. 2. Nicht verkannt werden darf nämlich, dass es sich hier- bei um eine Schadensersatzposition handelt und deren Höhe letztendlich nicht auf unbekannte Absprachen im Innenverhältnis beruhen kann. Diese Vereinbarungen führen dazu, dass Kosten gegenüber Schuldnern gel- tend gemacht werden, auf deren Höhe diese keinen Ein- fluss haben. Das AG Esslingen hat deutlich gemacht, dass Inkasso- kosten nur zu ersetzen sind, wenn der Gläubiger sie auch tatsächlich an das Inkassounternehmen gezahlt hat oder dazu noch verpflichtet ist. 22 22 AG Esslingen, Urt. v. 18.5.2018 – 5 C 234/18. Der 4. Strafsenat des BGH hat sogar erst im März dieses Jahres entschie- den, dass die Geltendmachung übersetzter Erstattungs- ansprüche im Bereich des anwaltlichen Masseninkas- sos nach § 263 StGB auch für den Rechtsanwalt straf- barer Betrug sein kann, wenn dem behaupteten An- spruch keine Zahlungsverpflichtung im Innenverhältnis gegenübersteht. 23 23 Bülte, NJW 2019, 1759; BGH, Urt. v. 14.3.2019 – 4 StR 426/18. Damit zeigt sich, dass es nicht unwesentlich ist, nach- vollziehen zu können, welche Kosten tatsächlich ent- standen und gezahlt sind und welche gegenüber dem Schuldner abgerechnet werden. Um nicht einem Gene- ralverdacht zu unterliegen, wäre Transparenz ein hilfrei- ches Mittel. Denn wenn zwei Parteien auf Kosten eines Dritten Absprachen treffen, kann sich häufig ein fader Beigeschmack ergeben. c) FOLGEN Im Ergebnis kann und sollte man daher den Aufwand tatsächlich differenziert betrachten. Das Masseninkas- so auf der einen Seite und die Einzelfallbearbeitung an- dererseits – egal wer der Bearbeiter ist. Schließlich wird auch unwidersprochen angenommen, dass sich hier kaufmännische und freiberufliche Tätig- keiten gegenüberstehen. Es ist daher unverständlich, warum versucht wird, dies unter einen Hut zu bringen. Zwar übersieht der Referentenentwurf diese tatsäch- lichen Gegebenheiten nicht, jedoch versäumt er es, die notwendigen Schlüsse zu ziehen. 24 24 Jäckle, VuR 2019, 443 (446). Die Herausforde- rung anzunehmen, die Geschäftsmodelle zu ergründen und differenziert aufzulösen, hätte die Chance ge- bracht, eine dauerhafte Lösung zu erarbeiten. 3. UNBESTRITTENE FORDERUNG ALS UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL Dass der Regierungsentwurf nicht zwischen Massen- und Einzelfallinkasso unterscheidet, wird auch damit begründet, dass den Schuldnern nicht zu vermitteln wä- re, warum sie je nachdem, ob ihr Gläubiger viele oder wenige gleichartige Forderungen einzuziehen hat oder er ein kleines oder großes Inkassounternehmen beauf- tragt, unterschiedliche Beträge zahlen sollten. Schließ- lich wären die Abrechnungen für die Schuldner auch kaum überprüfbar, da für sie kaum erkennbar ist, ob die Forderung im Rahmen eines Masseninkassos eingetrie- ben wird. 25 25 BT-Drs. 19/20348, 24. Der Entwurf sieht dann aber doch eine Differenzierung vor, indem er danach unterscheidet, ob es sich bei der HALM, ERREICHT DAS NEUE INKASSOGESETZ DAS GESTECKTE ZIEL? BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 AUFSÄTZE 286

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