BRAK-Mitteilungen 4/2020

BRAK MIT TEILUNGEN AUGUST 2020 · AUSGABE 4/2020 51. JAHRGANG AKZENTE HANDLUNGSFÄHIG IN DER KRISE Dr. Ulrich Wessels Die Corona-Pandemie brachte für unseren Rechtsstaat in den letzten Monaten ganz neue Herausforderungen. Die Justiz stellte ihre Arbeit zunächst weitgehend ein und nahm sie erst nach und nach, unter infektions- schutzbedingten Ein- schränkungen, wie- der auf. Zugang zum Recht erhielten Rechtsuchende nicht oder stark verzögert – eine Herausforde- rung auch für uns als ihre Anwältinnen und Anwälte. Auch die de- mokratischen Prozes- se gestalteten sich gänzlich anders, fak- tisch übernahm die Exekutive die inhalt- liche Gesetzgebungs- arbeit. Zahlreiche Ge- setze aus Anlass von Corona wurden, vor- bereitet durch „Formulierungshilfen“ der Regierung und durch die Koalitionsfraktionen in den Bundestag einge- bracht, in einem Schnellverfahren verabschiedet. Diese krisenbedingte Eilgesetzgebung hat die BRAK wachsam begleitet und sich, auch initiativ, mit Stellungnahmen zu Wort gemeldet, die Präsidium und Fachausschüsse der BRAK zum Teil innerhalb weniger Tage erarbeiteten. Einen Punkt betonte die BRAK hierbei immer wieder mit Nachdruck: Regelungen aus Anlass der Pandemie be- nötigen Enddaten, schon der erneuten parlamentari- schen Kontrolle wegen. Unsere Besorgnis, dass die Eil- gesetzgebung missbraucht werden könnte, erfüllte sich bedauerlicherweise: Durch die Hintertür kamen im Rah- men des zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes Verschär- fungen im Steuerstrafrecht, die in Reaktion auf den Cum-Ex-Skandal erfolgten (ausführlich dazu Paul , BRAK- Magazin 4/2020 – Editorial). Das ist nicht hinnehmbar: Der Gesetzgeber muss in der Krise schnell handeln; er darf aber das geordnete Gesetzgebungsverfahren für nicht krisenbezogene Gesetze nicht aushebeln! Daneben galt es, sich für die Interessen der Anwältin- nen und Anwälte einzusetzen. In engem Zusammenwir- ken mit den Rechtsanwaltskammern konnte die BRAK erreichen, dass die Anwaltschaft in nahezu allen Bun- desländern als systemrelevanter Beruf anerkannt wur- de. Ein Erfolg, und doch sollte das eigentlich selbstver- ständlich sein: Als Organ der Rechtspflege ist die An- waltschaft elementar für das Funktionieren des Rechts- staats, sie sichert den Zugang zum Recht – und das un- terscheidet sie grundlegend von einfachen Rechts- dienstleistern. Mit Systemrelevanz ist also viel mehr ver- bunden als der Zugang zur Kindernotbetreuung im pan- demiebedingten Lockdown. Der Einsatz der BRAK zahlte sich auch an anderer Stelle aus. Die Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mit- telständische Unternehmen durften zunächst nur Steu- erberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer für ihre Mandanten beantragen. Anwältinnen und An- wälte jedoch mussten ihren Mandanten einen Berater- wechsel zumuten. Einen sachlichen Grund für den Aus- schluss der Anwaltschaft gab es nicht. Dies hat die BRAK mehrfach beim Bundeswirtschafts- und -finanzmi- nisterium moniert. Seit dem 10. August haben nun auch Anwältinnen und Anwälte Zugang zu der Online-Platt- form, über die der Antragsprozess für die Überbrü- ckungshilfe abgewickelt wird. Die BRAK unterstützte den IT-Dienstleister des Bundeswirtschaftsministeriums, indem sie die Nutzung der Daten des Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnisses für die Registrierung auf der Plattform ermöglichte. Dass wir diese Lücke für die Anwältinnen und Anwälte nun schließen konnten, ist ein schöner Erfolg. Natürlich werden wir auch die weitere pandemiebe- dingte Entwicklung im Auge behalten und die Interes- sen der Anwaltschaft zur Sprache bringen. Das gilt nicht nur für Gesetzesvorhaben, zu denen die BRAK um ihre Stellungnahme gebeten wird. Die Situation der An- waltschaft infolge der Pandemie soll mit einer zweiten Umfrage beleuchtet werden. Auch die Handlungsfähig- keit des Rechtsstaats bleibt weiter im Fokus: Das BRAK- Präsidium hat dazu eine Arbeitsgruppe aus den Vorsit- zenden der grundlegenden verfahrensrechtlichen Fach- ausschüsse sowie zwei Vertretern aus der BRAK-Haupt- versammlung eingesetzt. Sie soll die Verfahrensordnun- gen auf Anpassungsbedarf prüfen sowie Abläufe und Transparenz der Gesetzgebung in der Krise verfas- sungsrechtlich absichern. Es bleibt also auch weiterhin viel zu tun – und wir bleiben am Ball! Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 173

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