BRAK-Magazin Ausgabe 6/2025

BRAK MAGAZIN 6/2025 12 DIE ANWALTSCHAFT IN MOLDAU Internationale Solidarität und ein Streik für Rechtsstaatlichkeit zeigen Wirkung Rechtsanwältin Ilona Treibert, Bayreuth, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Bamberg Moldau, seit 1991 von der Sowjetunion unabhängig, hat rund 2,4 Mio. Einwohner, rund 700.000 leben in der Hauptstadt Chişinău. Die Amtssprache ist Rumänisch, es wird aber auch Russisch und Französisch gesprochen. Seit Juni 2022 ist die Republik Moldau offiziell EU-Beitrittskandidat. Das Referendum im Oktober 2024 ging nur knapp pro EU-Beitritt aus. Im Land gibt es etwa 3.200 Anwältinnen und Anwälte, wovon etwa 2.000 aktiv sind, gut die Hälfte von ihnen in der Hauptstadt. Es gibt eine nationale Anwaltskammer und vier regionale Anwaltskammern mit eigenen Berufsgerichten. Moldau ist assoziiertes Mitglied im Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE). Die Anbindung an den Westen erfolgt v.a. durch Kontakte in Frankreich, Polen und Deutschland. Auch über soziale Medien wird Kontakt gepflegt und mit großer Wissbegierigkeit der fachliche Austausch gesucht. EINE HERZLICHE VERBINDUNG Erstmals war ich für die BRAK im November 2023 mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chișinău. Nach einer Abendveranstaltung „Women for Justice“ trug ich am nächsten Tag bei der Veranstaltung „Lawyers’ Profession in Germany and Moldova – current challenges and development“ zur anwaltlichen Selbstverwaltung und zum Berufsgeheimnis in Deutschland vor. Im September 2024 war ich für die BRAK beim 2. Anwaltstag in Moldau. Im Fokus stand hier die EuGH-Entscheidung zum Fremdbesitz an Anwaltskanzleien. Beim 6. Internationalen Anwaltsforum der BRAK im April 2025 kamen Präsident Doren Popescu und Chișinăus Kammerpräsident Alexandru Țurcan zum Gegenbesuch. Zum 3. Anwaltstag unter dem Titel „Legal profession in the EU“ war ich Mitte September wieder in Chișinău, mit einem Vortrag zur juristischen Ausbildung in Deutschland. Zu den Anwaltstagen in 2024 und 2025 kamen Gäste aus Frankreich, Polen, Deutschland, Georgien, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine, ebenso CCBE-Vizepräsident Roman Završek. Interessant ist hier, wer nicht dabei (oder nicht eingeladen?) war. Das Interesse der moldauischen Kolleginnen und Kollegen und der fachliche Austausch waren von Beginn an hervorragend, die Gastfreundschaft enorm. Den Flughafen-Shuttle übernahm nicht nur bei mir Präsident Popescu selbst. MOLDAUS ANWALTSCHAFT UNTER DRUCK Im Juli 2025 schlug er im internationalen Netzwerk Alarm. Das Parlament hatte Änderungen des Anwaltsrechts verabschiedet, welche die Selbstverwaltung und die anwaltliche Unabhängigkeit untergraben und die staatliche Kontrolle verstärken – ohne die gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Anwaltschaft. Dadurch sieht Moldaus Anwaltschaft grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verletzt und rief deshalb einen Generalstreik aus. Beim CCBE in Brüssel lief daraufhin die Maschine an: Die Kollegen aus Polen und Frankreich sowie der CCBE sandten Schreiben an Staatspräsidentin Maia Sandu und Justizministerin Veronica MihailovMorraru. Darin betonten sie u.a. die Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs, zu deren ersten Unterzeichnern die Republik Moldau zählt. INTERNATIONALE SOLIDARITÄT WIRKT Das Ergebnis war eine Einladung der Justizministerin. Bei dem Treffen Anfang September sicherte sie zu, dass das Gesetzgebungsverfahren gestoppt wird und mögliche Änderungen mit der Kammer besprochen werden. Die CCBE-Delegation betonte ihr Interesse daran, dass Moldau schnell der EU beitritt und unterbreitete Lösungsangebote. Das Treffen zeigt, welche Auswirkungen eine vereinte und gut kommunizierte Reaktion auf das europäische Rechtsumfeld haben kann – und dass die Verteidigung unserer Grundwerte unseres ganzen Einsatzes bedarf. Im Ergebnis wurde die Verabschiedung des Gesetzes zurückgehalten, darüber soll nach den Parlamentswahlen am 28.9.2025 das neue Parlament – nach Anhörung der Kammer – beraten. Genau hierfür hatte auch Moldaus Anwaltschaft gestreikt. Kolleginnen und Kollegen, die mit einer solchen Begeisterung Demokraten sein und der EU angehören wollen, sollten wir auch weiter mit allen Kräften unterstützen. Ilona Treibert (Mitte) beim 3. Anwaltstag in Chișinău

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