BRAK MAGAZIN 5/2025 4 KOOPERATION STATT KONFRONTATION Wie Schlichtung die Anwaltschaft stärkt und die Gesellschaft befriedet Seit fast fünfzehn Jahren vermittelt die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft in Streitigkeiten zwischen Anwältinnen und Anwälten und ihrer Mandantschaft in Haftungs- und Honorarfragen. Im Sommer 2025 hat Prof. Dr. Bertram Schmitt das Amt des Schlichters angetreten. Er war viele Jahre als Richter tätig, zuletzt am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Wie er seine neue Aufgabe als Schlichter sieht und welche Ziele er sich dabei setzt, verrät Schmitt im Gespräch. Herr Professor Schmitt, Sie waren lange Zeit Richter – zuletzt am Internationalen Strafgerichtshof, davor am Bundesgerichtshof. Was hat Sie zur Schlichtungsstelle geführt? Zunächst einmal eine sehr überzeugende Anfrage von Herrn Dr. Wessels. Und Sie haben es ja schon richtig angesprochen: Ich komme aus der Justiz, habe etwa 35 Jahre als Richter gearbeitet, davon 25 Jahre in Deutschland – vom Amtsgericht über Landgericht und Oberlandesgericht bis hin zum Bundesgerichtshof. Ich fühle mich diesem Rechtssystem stark verbunden. Zu einem funktionierenden Rechtsstaat gehört aber nicht nur eine unabhängige Justiz, sondern ebenso eine unabhängige Anwaltschaft. Diese Unabhängigkeit setzt voraus, dass die Anwaltschaft sich selbst verwaltet – frei von staatlicher Fremdbestimmung. Nur so ist sichergestellt, dass Anwältinnen und Anwälte allein im Interesse ihrer Mandanten handeln können. Ein wesentlicher Baustein dieser Selbstverwaltung ist aus meiner Sicht das Angebot einer unabhängigen, fairen, schnellen und unbürokratischen Schlichtung im Konfliktfall. Wenn ich dazu beitragen kann, dieses Instrument zu stärken und damit auch das Vertrauen in die Anwaltschaft zu fördern, freut mich das sehr. Welche gesellschaftliche Bedeutung hat die Schlichtungsstelle? Eine große! Die Unabhängigkeit der Anwaltschaft ist für einen Rechtsstaat unverzichtbar. Gerade in Zeiten, in denen wir weltweit autokratische Bestrebungen sehen, ist es wichtig, nicht nur unabhängige Gerichte, sondern auch eine unabhängige Anwaltschaft zu sichern. Autokratien versuchen nicht nur, die Justiz zu kontrollieren, sondern auch Anwältinnen und Anwälte einzuschränken. Die Schlichtungsstelle hat daher nicht nur die Aufgabe, individuelle Konflikte zu lösen. Sie stärkt zugleich das Vertrauen in die Anwaltschaft und deren Selbstverwaltung – und damit auch in die rechtsstaatliche Ordnung. Die BRAK hat kürzlich gefordert, die Unabhängigkeit der Anwaltschaft im Grundgesetz zu verankern … Damit greift die BRAK ein wichtiges Anliegen auf: die Anwaltschaft besser vor politischen Einflüssen zu schützen. Das Grundgesetz wurde zuletzt durch Vorgaben zur Struktur des BVerfG gestärkt, um demokratiefeindlichen Angriffen zu begegnen. In diese Richtung geht auch die Forderung, die Unabhängigkeit der Anwaltschaft ausdrücklich zu verankern. Konkret schlägt die BRAK vor, in Art. 19 V GG ein Recht auf anwaltlichen Beistand aufzunehmen. Das begrüße ich ausdrücklich. Zugleich wäre es wünschenswert, wenn auch andere Staaten ähnliche Regelungen schaffen würden. Zurück zur Schlichtungsstelle: Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe? Ich mag schon den Begriff „Schlichtung“. Eine erfolgreiche Schlichtung bedeutet, dass ein Konflikt durch eine gütliche Einigung beendet wird – also durch Kooperation statt Konfrontation. Das finde ich besonders reizvoll. Schon in meiner Zeit als Zivilrichter habe ich Wert auf Vergleiche gelegt und empfand es immer als befriedigend, wenn ein Streit durch Einvernehmen gelöst wurde. Die Schlichtungsstelle bietet dafür den idealen Rahmen. Sehen Sie Vorteile gegenüber gerichtlicher Schlichtung oder Mediation? Mehrere. Für beide Seiten ist das Verfahren völlig kostenfrei. Es geht schneller und ist unbürokratischer als ein Gerichtsverfahren. Für die AnwaltAußenansicht der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
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