BRAK MAGAZIN 5/2025 16 RECHTSSTAAT AUF DEM PRÜFSTAND Der EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht 2025 Ass. jur. Frederic Boog, LL.M., BRAK, Brüssel Die Europäische Kommission hat am 8.7.2025 den sechsten Rechtsstaatlichkeitsbericht veröffentlicht und darin den Rechtsstaat in zahlreichen Ländern evaluiert. JÄHRLICHE BEWERTUNG ALLER EU- MITGLIEDSTAATEN Vor dem Hintergrund der Rechtsstaatskrise in Ungarn und Polen bewertete die Europäische Kommission erstmals im Jahr 2020 die Rechtsstaatlichkeit in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten. Der seither jährlich erscheinende, nicht bindende Rechtsstaatlichkeitsbericht fasst nach Einbindung unterschiedlicher Interessenträger und Institutionen systemische Entwicklungen in den Bereichen Justiz, Korruptionsbekämpfung, Medienpluralismus und institutionelle Fragen in Bezug auf die Gewaltenteilung zusammen. Neben einer Mitteilung über die Gesamtlage in der Union gibt es gesonderte Länderkapitel mitsamt spezifischen Empfehlungen für jeden Mitgliedstaat. Dabei wird seit dem Bericht 2023 auch die Umsetzung der Empfehlungen aus dem jeweils vorhergehenden Jahr bewertet. Der aktuelle Bericht enthält, wie bereits der Vorjahresbericht, auch Ausführungen zu den EU-Beitrittskandidaten Montenegro, Nord-Mazedonien, Albanien und Serbien. Neu im diesjährigen Bericht ist das besondere Augenmerk auf die Verknüpfung zwischen Rechtsstaatlichkeit und einem funktionierenden, wettbewerbsfähigen Binnenmarkt. Die Bedeutung des Berichts dürfte in Zukunft weiter zunehmen. So wird derzeit in Brüssel mit Blick auf den kommenden EU-Haushalt diskutiert, die Vergabe von EU-Geldern stärker an die Erfüllung von EU-Rechtsstaatsvorgaben zu knüpfen – eine Forderung, die auch Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament in Straßburg am 10.9.2025 bekräftigt hat. VERBESSERUNGEN IN DER EU UND DEUTSCHLAND Im länderübergreifenden Teil des Berichts erkennt die Kommission in vielen Mitgliedstaaten Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr. So seien 57% der Empfehlungen aus dem Vorjahresbericht mindestens teilweise umgesetzt worden. Erfreulich ist, dass die Kommission sich der Anwaltschaft und den Rechtsanwaltskammern als zentralem Teil des Rechtsstaats widmet. Dabei geht sie auch auf die neue Konvention des Europarats zum Schutz des Rechtsanwaltsberufs ein und hebt die fundamentale Bedeutung der Anwaltschaft für die demokratische Gesellschaft hervor. Die Lage des Rechtsstaats in Deutschland schätzt sie überwiegend positiv ein, zeigt aber dennoch oft Raum für Verbesserungen auf. Auf positive Resonanz stieß die Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts im Wege einer Grundgesetzänderung. Die Empfehlungen der Kommission gegenüber Deutschland ähneln weitgehend denen des Vorjahres. Insbesondere fordert sie Deutschland trotz einiger Fortschritte bei der Besoldung von Richtern und Staatsanwälten erneut auf, die Ressourcen des Justizsystems unter Berücksichtigung europäischer Standards zu erhöhen. ENGAGEMENT DER EUROPÄISCHEN ANWALTSCHAFT Die Beiträge der deutschen und europäischen Anwaltschaft sind in vielerlei Hinsicht in den Bericht eingeflossen. Auch die BRAK hat sich wie in jedem Jahr schriftlich an der Konsultation beteiligt und mit der Europäischen Kommission zu ihrem Beitrag Gespräche geführt. Dabei thematisierte sie u.a. das System der anwaltlichen Selbstverwaltung, aktuelle rechtspolitische Entwicklungen und aktuelle, die Anwaltschaft betreffende Gesetzgebungsverfahren unter rechtsstaatlichen Aspekten thematisiert. Die Anliegen der BRAK haben insbesondere im Länderkapitel zu Deutschland Widerhall gefunden, beispielsweise im Hinblick auf die Erforderlichkeit der weiteren Erhöhung der Resilienz des Rechtsstaats, die Digitalisierung der Justiz oder die Notwendigkeit der Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung. Die BRAK wird sich weiterhin intensiv für den Schutz und die Weiterentwicklung des Rechtsstaats engagieren. Zu diesem Zweck wird sie auch künftig eng mit der Kommission und europäischen Partnern kooperieren, um die Interessen der Anwaltschaft im Rahmen des Rechtsstaatlichkeitsberichts zu wahren. Foto: Cranach/shutterstock.com
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