BRAK MAGAZIN 5/2025 15 4. WIE VERHÄLT ES SICH ZUM GERICHTS- ODER SCHIEDSGERICHTSVERFAHREN? Wenn die Parteien vereinbart haben, dass das Schiedsgutachten bindend sein soll, kann die mit ihm getroffene Tatsachenfeststellung in einem etwa folgenden Zivilprozess oder Schiedsverfahren nicht mehr bestritten werden. An rechtliche Feststellungen des Schiedsgutachters ist das Gericht jedoch nicht gebunden (iura novit curia). Die in einem gestaltenden Schiedsgutachten bestimmte Leistung kann nötigenfalls eingeklagt werden. Die Bindungswirkung entfällt allerdings, wenn die Leistungsbestimmung offenbar unbillig ist (§ 319 I 1 BGB). Auf die offenbare Unrichtigkeit eines feststellenden Schiedsgutachtens wendet die Rechtsprechung diese Vorschrift analog an. Wird das Gutachten auf diese Weise angegriffen, muss das Gericht prüfen, ob eine offenbare Unbilligkeit bzw. Unrichtigkeit tatsächlich vorliegt und ggf. die ersetzende Entscheidung treffen. Da dies zu neuem Streit führt, kann es sich empfehlen, die Vorschrift in der Schiedsgutachtenabrede abzubedingen. 5. WOFÜR EIGNET SICH DAS SCHIEDSGUTACHTEN? Zur Ausräumung aller Meinungsverschiedenheiten über Tatsachen-, Rechts- oder Billigkeitsfragen, zu denen ein neutraler Sachkundiger eine objektive Beurteilung liefern kann. Im Gerichtsverfahren kann es zur Vermeidung des unter Umständen beschwerlichen und aufwändigen Sachverständigenbeweises genutzt werden. 6. WELCHE VORTEILE BIETET ES? Durch die gemeinsame Einschaltung einer sachkundigen Autorität räumen die Parteien einen Streitpunkt aus, behalten im Übrigen aber die Autonomie über die Lösung ihres Konflikts. Während Privatgutachten oft zur Zementierung von Positionen führen, Gerichtsgutachten häufig (bei mindestens einer Partei) keine Akzeptanz finden, entschärft das Schiedsgutachten die Gegensätzlichkeit. Die Auswahl des Sachverständigen und die Bestimmung der Modalitäten der Begutachtung liegen in den Händen der Parteien. Sie können z.B. auch vereinbaren, dass ein paritätisch besetztes Gutachtergremium entscheiden soll. Zudem bietet das Verfahren Vertraulichkeit. Anders als das Gerichtsgutachten wird das Schiedsgutachten nicht in öffentlicher Verhandlung erstattet; es kann auch vereinbart werden, dass der Schiedsgutachter nicht als Zeuge benannt werden darf. 7. WIE WIRD DAS VERFAHREN EINGELEITET? Die Parteien vereinbaren die Einholung eines Schiedsgutachtens und verständigen sich über die Modalitäten (z.B. Bindungswirkung, Befristung, Auswahl des Gutachters, evtl. Unterstützungsmaßnahmen, Kostentragung, Ruhen eines schon anhängigen Rechtsstreits). Sodann schließen sie mit dem bzw. den Sachverständigen einen Schiedsgutachtervertrag. 8. WIE WIRKT SICH DIE ABREDE AUF VERJÄHRUNGSFRISTEN AUS? Die Schiedsgutachtenabrede begründet ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht und hemmt damit nach § 205 BGB die Verjährung. Ab Beginn des Begutachtungsverfahrens tritt zudem Hemmung nach § 204 I Nr. 8 BGB ein. 9. IST DIE ABREDE DURCHSETZBAR? Verweigert eine Partei die Durchführung des vereinbarten Schiedsgutachtenverfahrens (z.B. indem sie nicht am Vertragsschluss mit dem Gutachter mitwirkt, den Vorschuss auf dessen Vergütung nicht bezahlt oder eine notwendige Untersuchungsmaßnahme des Gutachters verhindert), kann die andere sogleich auf die vom Gutachter zu bestimmende Leistung klagen; die Bestimmung erfolgt dann durch das Gericht (entspr. §§ 315 III 2 Hs. 2, 319 I 2 BGB). Auch beim feststellenden Schiedsgutachten entfällt in diesem Fall die Stillhaltepflicht und kann Klage erhoben werden. Erhebt eine Partei entgegen der Schiedsgutachtenabrede sogleich Klage, wird diese auf entsprechenden Einwand als zurzeit unbegründet abgewiesen. 10. WELCHE KOSTEN ENTSTEHEN? Die Vergütung des Sachverständigen ist von den Parteien gemeinsam zu tragen. Sie kann frei ausgehandelt werden; die Vorschriften des JVEG gelten nicht. Der Gutachter kann dadurch zwar höhere Sätze aushandeln; so können jedoch auch besonders qualifizierte Gutachter gewonnen werden, die nicht bereit wären, zu den Stundensätzen des JVEG zu arbeiten. Im Endeffekt können die Kosten zudem geringer sein, weil der Schiedsgutachter weniger Zeit benötigt. Anders als der Gerichtsgutachter muss er nicht dem Richter die zur Urteilsbildung erforderliche Sachkunde vermitteln, sondern sein Gutachten nur kurz begründen. Zudem entfällt der beim Sachverständigenbeweis oftmals entstehende Aufwand für mündliche Anhörungen, Ergänzungs- oder Obergutachten. Der Beitrag ist der letzte Teil der Serie „10 Fragen zur außergerichtlichen Streitbeilegung“, die wichtige Streitbeilegungsmethoden vorstellt. Die gesamte Serie erscheint in Kürze als Broschüre.
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