BRAK MAGAZIN 5/2025 14 10 FRAGEN ZUM SCHIEDSGUTACHTEN Prof. Dr. Reinhard Greger, Richter am BGH a.D., Univ.-Prof. i.R., Ebermannstadt Als eine Art „Zwischending“ zwischen Privatgutachten und gerichtlichem Gutachten können Schiedsgutachten – feststellend oder leistungsbestimmend, bindend oder nicht – auf unterschiedliche Weise zur Konfliktlösung beitragen. Das Instrument kann sowohl für die außergerichtliche wie auch für die gerichtliche Streitbeilegung nutzbar gemacht werden. Im Folgenden wird es vorgestellt. 1. WAS IST EIN SCHIEDSGUTACHTEN? Kennzeichnend ist, dass die Konfliktparteien gemeinsam eine sachkundige Person (oder mehrere) damit beauftragen, eine zwischen ihnen streitige Frage zu entscheiden. Vom Privatgutachten unterscheidet es sich durch die gemeinsame Beauftragung, vom Gerichtsgutachten dadurch, dass der Sachverständige nicht vom Gericht, sondern durch Vertrag mit den Parteien bestellt wird. Der Unterschied zur Schiedsgerichtsabrede besteht darin, dass der Gutachter keine vollstreckbare Entscheidung über den streitigen Anspruch treffen, sondern nur über eine rechtliche oder tatsächliche Vorfrage entscheiden soll. 2. WELCHE GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN GIBT ES? Die Parteien können den Gutachter mit einer gestaltenden Entscheidung beauftragen, z.B. mit der Bestimmung der angemessenen Höhe eines Anspruchs (§ 317 BGB). Sie können ihm aber auch die Feststellung eines tatsächlichen oder rechtlichen Umstands übertragen (laut Rechtsprechung nach § 317 BGB analog). Die Parteien können vereinbaren, welche Bindungswirkung das Votum haben soll. Üblicherweise verpflichten sie sich, die Entscheidung des Gutachters als verbindlich zu behandeln, denn nur dadurch wird der Streit endgültig ausgeräumt. Die Parteien können aber auch eine bedingte, vorläufige, einseitige Bindungswirkung oder gänzlich fehlende Verbindlichkeit vereinbaren. Im letzteren Fall spricht man von Expertenvotum (expert opinion), bei vorläufiger Bindungswirkung von Adjudikation. 3. WORIN LIEGT SEINE BEDEUTUNG FÜR DIE AUSSERGERICHTLICHE STREITBEILEGUNG? Nicht selten scheitert eine Einigung daran, dass die Parteien über eine für sie wichtige Tatsachen- oder Rechtsfrage keinen Konsens erzielen können. In solchen Fällen kann das feststellende Schiedsgutachten Verhandlungsblockaden auflösen und zu einer Lösung im Wege von Verhandlungen oder eines Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung beitragen. Dies kann auch im Verlauf eines solchen Verfahrens geschehen, etwa wenn im Rahmen einer Mediation eine interessengerechte Lösung daran scheitert, dass die Parteien über einen für sie wesentlichen Umstand unvereinbare Ansichten vertreten, z.B. über den Wert eines Grundstücks, über die Vertragsgemäßheit eine Leistung, über die Durchsetzbarkeit einer Forderung vor einem ausländischen Gericht. Auch das rechtlich nicht bindende Expertenvotum kann eine Einigung befördern. Als Einschätzung eines neutralen, sachkundigen Dritten bietet es eine wertvolle Orientierungshilfe und kann faktische Bindungswirkung entfalten. Ein leistungsbestimmendes Schiedsgutachten kann hilfreich sein, wenn die Parteien sich im Verhandlungswege oder in einem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren dem Grunde nach geeinigt haben, aber über die angemessene Höhe eines zugestandenen Anspruchs im Unklaren bzw. unterschiedlicher Ansicht sind. In diesem Fall können sie sich darauf verständigen, dass ein Dritter (etwa der bisherige Schlichter oder Mediator) eine Leistungsbestimmung nach § 317 BGB trifft. Dafür können sie ihm auch einen bestimmten Rahmen vorgeben (high/low arbitration) oder vereinbaren, dass der Betrag gelten soll, der am nächsten an ihren (verdeckt niedergelegten) letzten Angeboten liegt (last offer arbitration). Foto: Designed by rawpixel.com / Freepik
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