BRAK-Magazin Ausgabe 04/2025

BRAK MAGAZIN 4/2025 17 Wir werden dazu mit vielen Akteuren in den Institutionen sprechen, um die konkreten Mechanismen zu verstehen. Das haben wir beim ThüringenProjekt bereits gemacht und können deshalb auf unsere dortigen Erfahrungen zurückgreifen. Das heißt konkret…? Wir gehen jetzt auf Personen zu und versuchen, durch vertrauliche Hintergrund- und Recherchegespräche Input zu bekommen. Auf dieser Grundlage wollen wir möglichst plausible Szenarien entwickeln, welche Strategien autoritäre Populisten verfolgen könnten, um mögliche Risiken bewerten zu können. Konkret heißt das: Erst kommt die theoretische Recherche, dann der Abgleich mit der Praxis. Das ist wichtig, denn nur so können wir die aus unserer Sicht bestehenden Risiken validieren. Möglicherweise identifizieren wir in den Gesprächen bestimmte Szenarien, die vielleicht sensibler sind als zuvor angenommen – oder andersherum. Im Ergebnis wollen wir dann eine Einordnung liefern, wie und an welcher Stelle die Justiz in Deutschland gerade tatsächlich angreifbar ist. Nach derzeitigen Planungen wollen wir Ende des Jahres hierzu eine Veröffentlichung herausgeben. Konzentrieren Sie sich dabei auf eine bestimmte Gerichtsbarkeit? Wir haben sicherlich einen Fokus auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das ist politisch der sensibelste Bereich, auf den besonders oft geschaut wird, weil es hier darum geht, wie der Staat auf einzelne Personen einwirken kann. Da sind die heißen Themen: versammlungsrechtliche Fragen, Verfassungsschutz und Einstufungen von Parteien, Asyl. Hier gäbe es sicher großes Interesse einer autoritär-­ populistischen Partei, beispielsweise über die Gerichtsorganisation auf die Rechtsprechung einzuwirken. Aber auch die anderen Gerichtsbarkeiten wären betroffen, wenn beispielsweise über die Personalausstattung beziehungsweise die Besetzungen einzelner Gerichte oder Spruchkörper versucht wird, Einfluss auf die Rechtsprechung zu nehmen. Und nicht vergessen darf man auch die bereits bestehenden Möglichkeiten, mittels Beförderungen Einfluss zu nehmen. Mit wem werden Sie dabei sprechen? In erster Linie natürlich mit Richterinnen und Richtern, aber nicht ausschließlich. Wir sprechen auch mit Leuten in den Ministerien, der Justizverwaltung, aus der Wissenschaft und vor allem auch aus der Anwaltschaft. Letztere ermöglichen einen Blick„von außen“ auf das System Justiz. Wie werden hier die Entwicklungen wahrgenommen, was wird kritisch gesehen? Sie sind ja auch selbst Anwalt… Ja, und das prägt natürlich auch meinen Blick auf unser Projekt. Wie sehr auch Anwältinnen und Anwälte unter Druck geraten können, zeigt sich gerade in den USA. Es ist eine oft genutzte und gern zitierte Phrase: „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege“. Wie man das aber auch mit Leben füllt in einem Rechtsstaat, der angegriffen wird, das ist eine Frage, auf die man meines Erachtens noch nicht ausreichend vorbereitet ist. In den USA sieht man, dass es dabei vor allem zwei mögliche Reaktionen der betroffenen Kanzleien gibt: Entweder man sagt, wir kämpfen gegen politisch motivierte Maßnahmen und nutzen unsere rechtsstaatlichen Möglichkeiten; oder aber Kanzleien priorisieren zunächst ihre wirtschaftlichen Interessen – was ja auch in gewisser Weise nachvollziehbar ist – und dealen das mit der Regierung aus. Auch wenn wir hier in Deutschland natürlich andere Rahmenbedingungen haben: Wir sollten uns vorab in der Anwaltschaft Gedanken machen, wie wir an dieser Stelle unsere Rolle verstehen. Interview: Peggy Fiebig, LL.M., freie Journalistin, Berlin Dr. Lennart Laude, LL. M. (LSE) ist Rechtsanwalt bei Noerr in München und spezialisiert auf die rechtliche Beratung im Bereich Data Economy. Daneben ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im „Justiz-Projekt“ des Verfassungsblogs, wo er zuvor auch am„Thüringen-Projekt“ mitwirkte.

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