BRAK MAGAZIN 4/2025 15 kern voraussichtlich immer noch nicht genug sein. Auch der Einwand, dass nach den statistischen Erhebungen der Rechtsanwaltskammern nur ca. 35 % der Anwaltschaft (= ca. 58.300) Verpflichtete gem. § 2 I Nr. 10 GwG sind, dürfte nicht weiterhelfen. Denn damit gäbe immer noch nur eine/r von 300 anwaltlichen Verpflichteten eine Meldung an die FIU ab. Wirken also die geltenden GwG-Pflichten schon derart abschreckend, dass es schlicht wenige zu meldende Verdachtsfälle gibt? Kritische Stimmen könnten entgegnen, dass immer noch vielen Anwältinnen und Anwälten ausreichendes Risikoverständnis für die Gefahren der Geldwäsche fehlt, weshalb sie potenzielle Verdachtsfälle gar nicht erst erkennen. Und die Anzahl der Meldungen durch den Finanzsektor könnte zu dem Schluss führen, dass es womöglich doch mehr Geldwäschefälle in Deutschland gibt. Dagegen spricht aber die geringe Zahl der im Ergebnis sanktionierten Fälle (1.625). AUSNAHME FÜR DIE ANWALTSCHAFT KLAR GEREGELT Was also erwartet die FATF von der Anwaltschaft? Schon ihre Wortwahl, dass bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten oft eine „Verwirrung“ in Bezug auf ihr Berufsgeheimnis bestehe, die in der Praxis die Abgabe von Verdachtsmeldungen „behindert“, sorgt für Unverständnis. Denn dass Berufsgeheimnisträger eine Ausnahme von der Meldepflicht erhalten sollen und nur unter ganz engen Voraussetzungen melden dürfen, hat sie doch selbst in ihrer Handlungsempfehlung Nr. 23 und in ihrem Leitfaden „Guidance for risk based approach for legal professionals“ aus 2019 vorgegeben. Hieraus folgend hatte auch der europäische Gesetzgeber schon in Art. 34 II der vierten Geldwäscherichtlinie (EU) 2015/849 klare Vorgaben in Bezug auf die Meldepflicht für die Anwaltschaft gemacht. Diese finden sich entsprechend in § 43 II GwG wieder und werden sich auch mit der ab 10.7.2027 unmittelbar geltenden Geldwäscheverordnung (EU) 1624/2024 (Gw-VO) nicht (wesentlich) ändern: Gem. Art. 70 II Gw-VO werden Rechtsanwälte von den in Art. 69 I Gw-VO festgelegten Anforderungen an die Meldepflicht ausgenommen, soweit – dies Informationen betrifft, die sie von einem Mandanten erhalten oder in Bezug auf diesen einholen, wenn sie für ihn die Rechtslage beurteilen, oder – ihn in oder im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren verteidigen oder vertreten. Hierzuzählt auch eine Beratung über das Betreiben oder Vermeiden solcher Verfahren. Unerheblich ist, ob diese Informationen vor, bei oder nach einem solchen Verfahren empfangen oder eingeholt werden. Die Ausnahme von der Meldepflicht soll nach Art. 70 II 2 Gw-VO nicht gelten, wenn Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte – an Geldwäsche, diesbezüglichen Vortaten oder Terrorismusfinanzierung beteiligt sind (lit. a), – Rechtsberatung für die Zwecke der Geldwäsche, ihrer Vortaten oder der Terrorismusfinanzierung erteilen (lit. b), – wissen, dass der Mandant die Rechtsberatung für die Zwecke der Geldwäsche, ihrer Vortaten oder der Terrorismusfinanzierung in Anspruch nimmt (lit. c). Ob Wissen oder Zweck vorliegen, könne aus objektiven, tatsächlichen Umständen abgeleitet werden (s. hierzu auch Erwägungsgrund Nr. 12 der Gw-VO). Außerdem kann Deutschland für bestimmte Arten von Transaktionen gem. Art. 70 III Gw-VO explizit Ausnahmen beschließen. FAZIT Dass von der Anwaltschaft erwartet wird, unter Durchbrechung ihrer gesetzlich normierten Verschwiegenheitspflicht immer mehr melden zu müssen, kann nicht der richtige Weg sein. Schon die FIU hat erkannt, dass nicht Ziel sein sollte, immer mehr Verdachtsmeldungen abzugeben, sondern dass die einzelnen Meldungen qualitativ werthaltiger werden müssen. Viele Verdachtsmeldungen führen gerade nicht zu höheren Aufklärungsquoten und zu vermehrten strafrechtlichen Sanktionen, wie der letzte FIU-Jahresbericht zeigt. 96 % aller von der FIU an die Staatsanwaltschaft abgegebenen Verfahren seien eingestellt worden und in gerade einmal 1.625 von 262.708 gemeldeten Fällen Sanktionen verhängt worden. Die Praxis braucht klare Vorgaben zu einzelnen Konstellationen, wann ein Verdachtsfall vorliegt und wann er (nicht) gemeldet werden muss. Die FIU hat mit ihrem Eckpunktepapier zur Bestimmung von Negativtypologien den Anfang gemacht. Weiteres ist bis Juli 2026 mit Umsetzung des Geldwäschepakets und näheren Bestimmungen durch die europäische Aufsichtsbehörde AMLA (Anti Money Laundering Authority) und die Europäische Kommission in Gestalt von Leitfäden und technischen Durchführungsstandards zur Meldepflicht gem. Art. 69 III-V GW-VO zu erwarten. Weitere Informationen Prüfung/Feststellung Ihrer Verpflichteteneigenschaft sowie praktische Tipps und Hinweise zu der Erfüllung Ihrer GwG-Pflichten finden Sie hier.
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