BRAK-Magazin Ausgabe 3/2025

BRAK MAGAZIN 3/2025 5 2024 erschienen und konstatiert eine „globale Rezession der Rechtsstaatlichkeit“, wie Elisabeth Andersen es nannte. Seit 2016 wurden Jahr für Jahr mehr Länder mit abnehmender Rechtsstaatlichkeit festgestellt, eine Entwicklung, die mit dem Amtsantritt der zweiten Trump-Administration sogar noch einen „Push“ erhalten hat. Diese Regierung schere sich weniger um die Normen guter Regierungsführung, sondern scheine eher darauf aus zu sein, die Grenzen ihrer Macht im In- und Ausland auszutesten, so Andersen. Sie gab damit die perfekte Einleitung zum Vortrag von Scott Carlson, Geschäftsführender Direktor der Rule of Law Initiative der American Bar Association (ABA). Er berichtet von den zahlreichen Versuchen Donald Trumps, sich über Recht und Verfassung hinwegzusetzen und zitiert beispielhaft dessen kurz nach Amtsübernahme veröffentlichten Tweet, wonach derjenige, der „dieses Land rettet, das Recht per se nicht verletzt“ („He who saves his country does not violate any law“). Carlson beschrieb einerseits den wachsenden Druck, dem sich Kanzleien in den USA ausgesetzt sehen und andererseits die Reaktion darauf. Die ABA als Interessenvertretung der Anwältinnen und Anwälte betreibt nicht nur eine massive Öffentlichkeitsarbeit, um die Stimme der Anwaltschaft zu verstärken, sondern auch einzelne Klagen gegen die Trump-Regierung. Noch im Flugzeug habe er an einer Verfassungsklage wegen der Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips gefeilt, erzählte Carlson. Allerdings könne es durchaus sein, dass sich die Trump-Regierung selbst an Gerichtsentscheidungen nicht halten werde, befürchtet der Amerikaner. Wie sich Anwältinnen und Anwälte mit der Zivilgesellschaft verbünden, um die rule of law aufrecht zu erhalten, schilderte anschaulich Vladimir Beljanski, Präsident der Vojvodina Bar Association. Im serbischen Novi Sad kam es im vergangenen November nach dem Einsturz einer Bahnhofshalle zunächst zu Unruhen von Studierenden, die sich alsbald auf andere Bevölkerungsgruppen ausweiteten. Es ging um mögliche Korruption und Machtmissbrauch, unabhängige Gerichte, freie Medien und freie Wahlen. Die Anwaltschaft unterstützte die Studierenden – beispielsweise durch kostenfreie Rechtsberatung. In solchen Situationen sollten sich Anwaltsorganisationen auch über nationale Grenzen hinweg unterstützen, regte Beljanski an. WAS KÖNNEN ANWÄLTINNEN UND ANWÄLTE TUN? Nach diesen konkreten Beschreibungen zur Rechtsstaatlichkeit in einzelnen Ländern und Regionen, die durch den Präsidenten der LAWASIA, Shyam Divan, und den Geschäftsführer der Pan African Lawyers Union, Donald Omondi Deya, ergänzt wurden, widmete sich die Konferenz der Frage, wie Anwältinnen und Anwälte, aber auch Anwaltsorganisationen Widerstand gegen die Aushöhlung der rule of law leisten können. In einer lebhaften Debatte wurde dabei deutlich, dass nationale Anwaltskammern sowohl ihren Handlungsspielraum als auch ihre Rolle jeweils unterschiedlich definieren. Ein wichtiger Aspekt war dabei, wie politisch sich eine Anwaltsorganisation engagieren kann bzw. sollte. Für die Vertreter afrikanischer Staaten ist dabei z.B. die enge Kooperation mit Menschenrechtsorganisationen wichtig, Kammern anderer Länder definieren sich eher als Interessenvertretung im engeren Sinne. In seinem Redebeitrag stellte der Vizepräsident der ukrainischen Anwaltskammer, Dr. Valentyn Gvozdiy, die im März 2025 angenommene Europäische Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs vor. Mit dem internationalen Abkommen sollen künftig anwaltliche Kernwerte und der Zugang zum Recht völkerrechtlich abgesichert werden. Es gelte jetzt, so viele Staaten wie möglich dazu zu bewegen, diese Konvention mitzuzeichnen, appellierte Gvozdiy. Auch NichtMitglieder von EU und Europarat könnten das tun, so sein Hinweis. Wie wichtig ein Schutz von Anwältinnen und Anwälten nicht nur vor staatlichen, sondern auch vor privaten Akteuren sein kann, zeigte eindrucksvoll das Referat von Jeroen Soeteman, Präsident des Nederlandse Orde van Advocaten. Dort waren in den vergangenen Jahren Anwältinnen und Anwälte mehrfach von Kriminellen bedroht und angegriffen worden. Trauriger Höhepunkt dürfte die Ermordung des Strafverteidigers Derk Wiersum im Jahr 2019 sein. Die niederländische Anwaltskammer hat deshalb beschlossen, Angriffe und Bedrohungen von Anwältinnen und Anwälten zu dokumentieren und riet auch anderen Kammern, das zu tun. So haben einer Umfrage zufolge im Jahr 2024 etwa 55 % der dortigen Kolleginnen und Kollegen Angriffe erlebt. Der weit überwiegende Teil betraf verbale Aggressionen, allerdings 24 % auch bedrohliches Verhalten und 4 % sogar körperliche Übergriffe. Die niederländische Kammer hat darauf reagiert und bietet zahlreiche Hilfen an, darunter eine Hotline für Betroffene, psychologische Hilfe und ein NotfallKnopf-System. Ja, die Zeiten sind rauer geworden, so kann man den ersten Konferenztag zusammenfassen. Aber Rechtsanwaltsorganisation können ihre Mitglieder Über Bedrohungen gegenüber Anwältinnen und Anwälten in Europa berichtet der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) aus Anlass der niederländischen Umfrage in einem 2024 veröffentlichten Report (s. dazu Nitschke, BRAK-Mitt. 2025, 8).

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