BRAK MAGAZIN 3/2025 14 MEHR REALITÄT IN DER FACHANWALTSCHAFT Aus der 4. Sitzung der 8. Satzungsversammlung Ass. jur. Lissa Gerking, LL.M. (Norwich), BRAK, Berlin Verschiedene Themen standen am 26.5.2025 auf der Tagesordnung der 4. Sitzung der 8. Satzungsversammlung, dem „Parlament der Anwaltschaft“. Die größte Veränderung und den meisten Diskussionsbedarf bringt jedoch die beschlossene Anpassung der Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltschaften mit sich. Aufgrund von sinkenden Verfahrenszahlen, regionalen Unterschieden und veränderten Arbeitsrealitäten soll die Frist zur Beibringung der besonderen praktischen Erfahrung von drei auf fünf Jahre angehoben werden. Weitere Änderungen der BORA soll es im Bereich der Werbung (§ 6 BORA) im Zusammenhang mit Hinweispflichten bei gemeinschaftlicher Berufsausübung (§ 8 BORA) und Briefbögen (§ 10 BORA) geben. HINTERGRUND DER FACHANWALTSCHAFTSREFORM In den letzten Jahren zeigte sich insgesamt ein Rückgang für den Erwerb einer Fachanwaltschaft, trotz stetiger Ausweitung der möglichen Fachgebiete. Insbesondere war ein Rückgang von Fachanwaltschaften im Familien- oder Sozialrecht zu beobachten, die bislang mehrheitlich von Rechtsanwältinnen erworben wurden. Insgesamt haben Fachanwältinnen nicht einmal ein Drittel aller Fachanwaltschaften inne, obwohl Rechtsanwältinnen einen deutlich größeren Anteil der Rechtsanwaltschaft ausmachen. Im Hinblick auf die diesbezüglichen Beschlüsse der 1. Satzungsversammlung im Jahr 1995, dass „trotz ausreichender theoretischer Kenntnisse nicht über Fallzahlen schwer überwindbare Zugangsschranken entstehen“ (1. SV, Protokoll vom 13.10.1995, S. 26 f.) sollen, ergab sich ein Handlungsbedarf. Der zuständige Ausschuss 1 der Satzungsversammlung befasste sich daher eingehend mit den Hintergründen dieser Entwicklung. Zum einen führten immer weiter verbreitete Teilzeitmodelle dazu, dass in dem bisherigen Drei-Jahres-Zeitraum entsprechend der Arbeitszeit nur weniger einschlägige Fälle bearbeitet werden konnten. Zum anderen führten rückläufige Verfahrenszahlen und deutliche regionale Unterschiede, insbesondere ländliche verglichen mit urbanen Gebieten, zu weiteren tatsächlichen Zugangshemmnissen und Disparitäten. ÖFFNUNG DER ZUGANGSSCHRANKE – DER NEUE § 5 I 1 FAO Der aus den Strukturveränderungen klarwerdende Reformbedarf war Ausgangspunkt der Überlegungen für eine Anpassung der FAO im Ausschuss. Durch die Verlängerung des Zeitraums für den Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen für die Erlangung der Fachanwaltschaft von drei auf fünf Jahre nach dem beschlossenen neuen § 5 I 1 FAO sollen die erkannten Zugangshürden verringert und eine Chancengleichheit insbesondere für Rechtsanwältinnen für den Zugang zu einer Fachanwaltschaft hergestellt werden. Im Hinblick auf die Rechtsuchenden soll auch in der Fläche eine spezialisierte Abdeckung des Zugangs zum Recht anhaltend gewährleistet werden. Das „Qualitätssiegel“ der Fachanwaltschaft erfordert neben besonderen theoretischen Kenntnissen auch besondere praktische Erfahrungen. Die praktischen Erfahrungen liegen nach § 2 II FAO dann vor, „wenn diese auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird.“ Diese Qualitätsanforderung könne nach Ansicht der Satzungsversammlung bei einer Erhaltung der geforderten Fallzahlen nur durch eine Ausdehnung des Nachweiszeitraums an die veränderten Umstände zukunftstauglich angepasst werden. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Satzungsänderung wurde Abstimmung in der 4. Sitzung der 8. Satzungsversammlung
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0