BRAK-Magazin Ausgabe 2/2025

BRAK MAGAZIN 2/2025 14 10 FRAGEN ZUR ADJUDIKATION Schiedsrichter, Schlichter und Adjudikator RiBGH a.D. Prof. Stefan Leupertz, Köln Außergerichtliche Streitbeilegung hat Konjunktur. Das hat viel mit Problemen der Justiz zu tun, komplexe wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten zeitnah und kompetent zu entscheiden. Deshalb meiden mittlerweile ganze Branchen die staatlichen Gerichte, was mit Blick auf eine damit einhergehende Erosion der Richtlinienfunktion obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung durchaus Anlass zur Sorge bietet. Traditionell findet außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland vor privaten Schiedsgerichten nach Verfahrensregeln statt, die auf der Grundlage des 10. Buchs der ZPO (§§ 1025 ff. ZPO) im Wesentlichen dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren entsprechen. Am Ende eines vergleichbar aufwändigen Verfahrens steht hier wie dort ein vollstreckbarer Titel. Darin liegt der Unterschied zu Schlichtung und Mediation, die unter Verzicht auf strenge Verfahrensregeln auf eine einvernehmliche Beilegung des Konflikts abzielen und dem Schlichter/Mediator keine Entscheidungskompetenz einräumen. Die Adjudikation schließt gewissermaßen die Lücke zwischen aufwändig konfrontativen und schlanken, auf konsensuale Lösungen angewiesenen Streitbeilegungsverfahren. WAS IST ADJUDIKATION UND WOHER KOMMT SIE? Adjudikation (Dispute Adjudication) beschreibt ein v.a. im angelsächsischen Rechtsraum verbreitetes summarisches Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Vertragspartnern. In Großbritannien wurde es im Jahr 1996 mit dem Ziel eingeführt, Streitigkeiten im Zusammenhang mit Bauvorhaben zeitnah und kostengünstig durch eine vorläufig bindende Entscheidung des Adjudikators zu erledigen. Dort ist die Adjudikation rasch zu einer Erfolgsgeschichte mit hoher Akzeptanz geworden. WELCHE FORMALEN VORAUSSETZUNGEN GELTEN? Hierzulande setzt die Durchführung eines Adjudikationsverfahrens eine vertragliche Vereinbarung der Parteien voraus, die schon im Ausgangsvertrag getroffen werden kann. Durchgeführt wird das Verfahren von einem oder mehreren Adjudikatoren, dem Dispute Adjudication Board (DAB). Über die Ausgestaltung des Verfahrens und die Besetzung des DAB entscheiden die Parteien, ggf. ebenfalls schon bei Abschluss des Bauvertrags. Das ermöglicht die Vereinbarung individuell auf die Parteien zugeschnittener Verfahrensregeln, die allerdings in jedem Fall rechtsstaatlichen Grundanforderungen genügen sollten. GIBT ES BEREITLIEGENDE VERFAHRENSORDNUNGEN FÜR ADJUDIKATION? Die in Deutschland gebräuchlichsten sind: – DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (Stand 2010) – Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL-Bau) der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. und des Deutschen Beton- und Technik Verein e.V. (Stand 2021) Beide unterscheiden sich gravierend: Während die DIS-Verfahrensordnung die Adjudikationsentscheidung als eigenständiges Instrument einordnet und darauf verzichtet, die Adjudikationsentscheidung mit staatlicher Hilfe vollstrecken zu können, sieht die SL-Bau in der Adjudikation ein modifiziertes schiedsgerichtliches Eilverfahren, das im Wesentlichen den §§ 1025 ff. ZPO unterliegt. Die Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der ARGE Baurecht im DAV enthält seit ihrer Neufassung 2020 keine Verfahrensordnung für Adjudikation mehr. WIE FUNKTIONIERT ADJUDIKATION? Die Vertragsparteien unterwerfen sich freiwillig einem Verfahren, mit dem innerhalb kürzester Zeit vertragliche Streitigkeiten entweder einvernehmlich beigelegt oder entschieden werden. Zwischen dem Eingang des Antrags beim Adjudikator und seiner Entscheidung liegen je nach Verfahrensordnung zwischen 28 und 84 Tagen, unabhängig vom Gegenstand der Streitigkeit. Adjudikation funktioniert quasi nach dem Prinzip „Nur schnelles Recht ist gutes Recht!“. Dies soll eine möglichst ungestörte Abwicklung des Vertrags sicherstellen. Deshalb findet die Adjudikation insb. bei großen und größten Bau- und Anlagebaumaßnahmen Anwendung, die sonst nicht selten durch unerledigten Streit in eine sehr teure Schieflage geraten. WIE WERDEN ADJUDIKATIONSENTSCHEIDUNGEN DURCHGESETZT? Die Adjudikationsentscheidung ist nur vorläufig bindend und unterliegt der vollen Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte (oder, falls vereinbart, durch ein Schiedsgericht), deren Anrufung al-

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