BRAK-Magazin 4/2020

12 BRAK MAGAZIN 04/2020 REFORMLAND USBEKISTAN Die BRAK berät bei der Entstehung der anwaltlichen Selbstverwaltung Rechtsanwältin Dr. Veronika Horrer, LL.M., BRAK, Berlin Seit dem Tod des Diktators Karimov im Jahr 2016, der das Land seit 1991 mit eiserner Hand regier- te und jegliche Demokratisierungsprozesse nach dem Zerfall der Sowjetunion verhinderte, setzt Usbekistan eine Reform nach der anderen um. Laut Weltbank liegt Usbekistan in den Top Ten der aktivsten Reformstaaten weltweit. Das ist auch dringend notwendig: Das Land steht trotz der Fortschritte der letzten Jahre in den internatio- nalen Indizes, wie z.B. dem Korruptionsindex von Transparency International (Platz 153 von 180) oder dem World Justice Project Rule of Law Index (Platz 94 von 125), noch sehr weit unten. Die Reformbemühungen betreffen natürlich auch, wenn nicht in erster Linie, die Justiz. Diese soll modernisiert, unabhängig und korruptionsfrei werden. In der Anwaltschaft vollzieht sich gerade ein Systembruch. Zum ersten Mal soll eine unab- hängige anwaltliche Selbstverwaltung geschaffen werden. Das antiquierte, zum größten Teil noch aus der Sowjetzeit stammende anwaltliche Berufs- recht soll grundlegend überarbeitet werden. Die usbekische Anwaltschaft leidet unter anderem unter der Aufsicht des Staates, unter einer sehr schwachen prozessualen Position im Vergleich zur Staatsanwaltschaft und unter einem akuten Nachwuchsproblem: Das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens mit seinen ca. 33 Millionen Einwohnern zählt gerade einmal 4.000 Rechtsan- wälte. Nur 70 davon sind jünger als 30 Jahre. Der Anwaltsberuf in Usbekistan soll für junge Juristin- nen und Juristen attraktiver werden. KEINE REFORM DER ANWALTSCHAFT OHNE DIE ANWALTSCHAFT Eine Arbeitsgruppe der Usbekischen Rechtsan- waltskammer hat ein Konzeptpapier ausgearbei- tet, aufgrund dessen derzeit mit der Politik und den Ministerien diskutiert wird. Die BRAK hat sich auf Anfrage der usbekischen Kollegen an der Ausarbeitung des Konzeptpapiers intensiv betei- ligt und ist bei den Beratungsgesprächen mit der Politik und den Ministerien unterstützend dabei. Die usbekischen Kollegen haben es erreicht, dass die Reformen der Anwaltschaft nicht ohne die Be- teiligung der Anwaltschaft stattfinden. Das ist in einem Land wie Usbekistan mit einer traditionell übermächtigen Exekutive bei Weitem keine Selbst- verständlichkeit. WAS SOLL SICH KONKRET ÄNDERN? Zuerst sollen die Verwaltung und die Aufsicht der Rechtsanwaltskammer durch das Justizministe- rium Geschichte werden. Stattdessen soll eine Selbstverwaltung entstehen, die für den Zugang zum Beruf, für die Berufsaufsicht, für die Fortbil- dung und für die Regulierung der anwaltlichen Tä- tigkeit durch Satzungen zuständig ist. Was sich für die deutschen Leser wie eine Selbstverständlich- keit anhört, muss in vielen Ländern hart erkämpft werden! Eine eigene, am Bedarf der Anwaltschaft ori- entierte Fortbildungseinrichtung soll entstehen. Bisher erfolgt die Fortbildung durch das Justizmi- nisterium und lässt – so die usbekischen Kollegen – zu wünschen übrig. Die prozessualen Rechte eines Rechtsanwalts im Strafverfahren sollen gestärkt werden. Heute kann von keiner Waffengleichheit mit der Staatsanwaltschaft im usbekischen Straf- prozess gesprochen werden. Der Schutz der an- waltlichen Verschwiegenheit soll gestärkt und auf die anwaltlichen Berufshelfer ausgedehnt werden. Durch die Abschaffung einiger Hindernisse beim Zugang zum Beruf, z.B. der Anforderung, zuvor zwei Jahre in einem anderen juristischen Beruf gearbeitet zu haben, soll die Anzahl der Anwälte erhöht werden. Es soll ein Vorbereitungsdienst ein- geführt werden, in dem Anwärter von Anwälten zu Anwälten ausgebildet werden. Das sind nur einige der vielen Neuerungen aus dem 20-seitigen Konzeptpapier. Für die BRAK ist es eine Ehre und die höchste Anerkennung, an die- sen Prozessen in Usbekistan mitzuwirken. Konferenz zum anwaltlichen Berufsrecht an der Tashkent State University of Law

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