BRAK-Mitteilungen 1/2023

SYNDIKUSANWÄLTE GESCHÄFTSFÜHRERIN EINER BEZIRKSÄRZTEKAMMER ALS SYNDIKUSANWÄLTIN BRAO §§ 7 Nr. 8, 46, 46a * 1. Ist ein Berufsträger nicht in den Vorgang der Beitragsfestsetzung durch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle involviert und besitzt keinerlei Entscheidungsbefugnis sowie auch keine Befugnis, den Mitarbeitern fachliche Weisungen zu erteilen, liegt kein hoheitliches Handeln dieser Person vor. * 2. Wird ein Berufsträger bei der Ausstellung von Fortbildungszertifikaten nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden und kann auch nicht mit Entscheidungsbefugnis auf das Ergebnis der Bescheide einwirken, liegt auch dann kein hoheitliches Handeln vor, wenn dieser bei Streitigkeiten um eine rechtliche Prüfung und eventuell die Anfertigung einer Beschlussvorlage ersucht wird. * 3. Bei einer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Erlass von Widerspruchsbescheiden handelt es sich ebenfalls nicht um eine hoheitliche Tätigkeit, wenn eine Beteiligung des Berufsträgers an dieser hoheitlichen Maßnahme mit Entscheidungsbefugnis nicht vorliegt. * 4. Allein das Führen von Ermittlungen bei dem Verdacht einer Berufspflichtverletzung stellt noch keine hoheitliche Tätigkeit dar, wenn es sich dabei um reine Vorbereitungshandlungen ohne eigene Entscheidungsbefugnis handelt. * 5. Der Geschäftsführer einer GmbH, der den Weisungsbefugnissen der Gesellschafterversammlung unterliegt und bei dem es sich um ein Organ der GmbH handelt, ist mit einer Hauptgeschäftsführerin der Geschäftsstelle als Angestellte ohne Organfunktion nicht vergleichbar. AGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28.10.2022 – 1 AGH 7/21 AUS DEN GRÜNDEN: I. Die Beigeladene begehrt die Zulassung als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin). Sie ist nicht als Rechtsanwältin zugelassen. Bis zum 30.9.2020 war sie als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für ihre damalige Tätigkeit bei der Kassenärztlichen Vereinigung R. zugelassen. Nach Beendigung dieser Tätigkeit zum 30.9.2020 ist die Beigeladene seit dem 1.10.2020 aufgrund des Geschäftsführervertrages v. 23.9.2020 bei der Bezirksärztekammer P. als Hauptgeschäftsführerin angestellt. Am 29.9.2020 beantragte die Beigeladene mit Schreiben v. 28.9.2020 die Zulassung als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für ihre Tätigkeit bei der Bezirksärztekammer P. Dem Antrag waren der bereits unterzeichnete Geschäftsführervertrag v. 23.9.2020 beigelegt sowie die Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag zur fachlichen Unabhängigkeit der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt, die von beiden Vertragsparteien unterzeichnet und ebenfalls auf den 23.9.2020 datiert ist. Nach § 2 I des Geschäftsführervertrages führt die Beigeladene die laufenden Geschäfte der Kammer und vertritt nach § 2 II des Vertrages die Kammer gerichtlich und außergerichtlich (vgl. § 11 III Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz (HeilBG)). Nach § 2 V des Geschäftsführervertrages nimmt die Beigeladene die Rechte und Pflichten der Kammer i.S.d. arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr, und ihr obliegt die disziplinarische Führung aller nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach § 2 VI hat die Beigeladene nach den Vorgaben des Vorstandes die Erstellung des Jahresabschlusses und des Haushaltsplans sowie insb. das Finanzcontrolling sicherzustellen. In der Ergänzungsabrede v. 23.9.2020 ist vereinbart, dass die Beigeladene anwaltlich beim Arbeitgeber tätig ist und das Arbeitsverhältnis geprägt ist durch – die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, – die Erteilung von Rechtsrat, – die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insb. durch das selbstständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und – die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten. Nach Hinweis der Bekl. v. 16.10.2020, dass zur weiteren Prüfung ihres Antrages eine dezidierte Tätigkeitsbeschreibung einzureichen sei, die einen Überblick über die konkreten inhaltlichen Tätigkeiten beinhaltet, übermittelte die Beigeladene eine Tätigkeitsbeschreibung mit Schreiben v. 9.12.2020. Hier schildert die Beigeladene u.a., dass sie in sämtliche rechtliche Angelegenheiten der Vertreterversammlung und des Vorstandes eingebunden ist und die Organe der Kammer berät. Ferner teilt sie mit, dass die Ausgangsbescheide ihrer Arbeitgeberin von den zuständigen Fachabteilungen erlassen und von den jeweiligen Sachbearbeitern unterschrieben werden. Im Rahmen einer weiteren Rückfrage der Bekl. v. 2.2. 2021 bat diese die Beigeladene um Stellungnahme zu der Frage, inwieweit die Beigeladene etwaige Vorbereitungshandlungen zu hoheitlichen Aufgaben der Kammer ohne eigene Entscheidungskompetenz trifft, und um ergänzende Ausführungen zur Frage der Prägung durch anwaltliche Tätigkeiten im Rahmen ihrer Geschäftsführerfunktion. Aufgrund dieser Rückfrage reichte die Beigeladene eine weitere Tätigkeitsbeschreibung mit Schreiben v. 20.4.2021 ein, in der u.a. (ohne weitere Erläuterung) festgehalten wurde, dass die Prägung der anwaltlichen Tätigkeiten der Stelleninhaberin bei 70 % SYNDIKUSANWÄLTE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 44

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